News, Fake News, Geschichten vom fremden Stern

Am vergangenen Freitag und den sich anschließenden Wochenendtagen konnte man wieder einmal wie unter einem Brennglas beobachten, in welchem Maß vor allem in den (a-)sozialen Netzwerken die Stimmung mittlerweile vergiftet, verhetzt und von Menschen dominiert ist, denen jedes noch so unlautere Mittel recht ist, um Hass zu schüren. Was war geschehen?

Im ZDF-Morgenmagazin wurde ich am Freitag von Dunja Hayali unter anderem auf die aktuell sehr hohen Inzidenzen im COVID19-Zusammenhang und die angespannte Lage in Thüringer Krankenhäusern angesprochen. Ich antwortete mit Blick auf die massiv steigende Intensivbettenbelegung wörtlich:

„Wir haben eine Pandemie der Ungeimpften und wir werden niemandem mehr garantieren können, der ungeimpft ins Krankenhaus kommt, dass er überhaupt noch in Thüringen behandelt wird. Wir werden ihm garantieren, dass er behandelt wird. Jeder Mensch, der Hilfe braucht, wird Hilfe bekommen, aber er wird sie dann nicht mehr in Thüringer Krankenhäusern bekommen können.“

Aus diesem Zitat, das nicht nur die aktuelle Lage auf Thüringer Intensivstationen abbildet, sondern auch die Befunde führender Wissenschaftler mit Blick auf die aktuell am schwerwiegendsten Erkrankten widerspiegelt, machte die BILD-Zeitung die Schlagzeile:

„Ungeimpften droht Klinik-Abweisung!

Ministerpräsident Ramelow: > Wir werden niemandem mehr garantieren können, der ungeimpft ins Krankenhaus kommt, dass er überhaupt noch in Thüringen behandelt wird.<“

Abgesehen davon, dass ich in keinem Satz das Wort „Abweisung“ oder auch nur einen sinngleichen Begriff verwendet habe, waren sich andere Boulevard-Medien nunmehr auch nicht zu schade, zu konstruieren, ich habe eine Triage für Ungeimpfte ins Spiel gebracht. Dass daraufhin auch der sozialmediale Mob losschoss, war zu erwarten. Gespickt mit Beschimpfungen, Beleidigungen und auch Gewaltandrohungen wurde mir vorgehalten, ich hätte Ungeimpften angedroht, Ihnen Hilfe zu versagen. Nichts dergleichen ist auch nur im Ansatz in besagtem Interview gesagt worden. Ich habe lediglich die Wahrheit ausgesprochen, dass notfalls Intensivpatienten in andere Bundesländer abverlegt werden müssen, wenn keine Betten in Thüringen mehr frei sein sollten. Hierzu existiert in Thüringen und vereinbart mit mehreren Nachbarbundesländern ein bereits im letzten Jahr angewandtes Kleeblattsystem, um jedem Menschen – egal, ob geimpft oder ungeimpft – schnellstmöglich Hilfe zukommen zu lassen.

Aber an der Wirklichkeit sind diejenigen, die mich im Netz und per Mail mit Hass übergiessen, nicht im Geringsten interessiert – selbst dann nicht, wenn man ihnen ungefiltert den Wortlaut des besagten Interviews noch einmal zugänglich macht oder in anderen Interviews – so u.a. geschehen noch am Freitag, aber auch im DLF am Sonntag – wieder und wieder erläutert, um was es geht.

Reaktion: Das interessiert mich nicht.“; „Ja und? Sie hätten das aber sagen können und eigentlich auch sagen wollen. Geben Sie es doch zu.“

Und – wie könnte es auch anders sein – gesellen sich zu den wüsten Beschimpfungen auch wieder allerhand Verschwörungsmythen – dieses Mal besonders zwei:

1. Eine Auslastung der Intensivbetten hätte nichts mit der Zahl der schwer Erkrankten zu tun, sondern mit meiner Politik, da ich in den letzten sieben Jahren in Thüringen viele Krankenhäuser geschlossen hätte.

–> Fakt: In der bisherigen Regierungszeit von R2G wurde nicht ein einziges Krankenhaus in Thüringen geschlossen. Im Gegenteil: Wir haben immer wieder gemeinsam um den Erhalt jedes einzelnen gekämpft.

2. Schuld an der Auslastung der Intensivbetten sei abermals vorrangig ich, weil ich unzählige rumänische COVID19-Patienten hierher bringen ließe und mit ihnen die Stationen überfüllen würde.

–> Fakt: Abgesehen davon, dass diese Behauptung vor Menschenfeindlichkeit nur so strotzt (,vor allem auch angesichts der dramatischen COVID19-Lage in Rumänien) liegt auf Thüringens Intensivstation nicht ein einziger rumänischer Patient.

Schließlich und schlussendlich wird behauptet, die Impfung brächte gar nichts, denn es lägen ja auch immer mehr Geimpfte in den Krankenhäusern. Völlig richtig: In einem Land, in dem immer mehr Menschen geimpft sind, kann auch der Beinbruch- oder Herzinfarktnotfallpatient auf der Intensivstation liegen und trotzdem geimpft sein. Das hat dann aber nichts mit einer COVID19-Ansteckung z und der kritischen Belastung bei ITS-Betten und Beatmungsplätzen zu tun.

Als jemand der gegen einen Impfzwang ist, werbe ich dennoch dafür, sich umfassend – gerade durch eine COVID19 – Impfung – selbst zu schützen. Man muss dabei nicht einmal von Solidarität reden oder gar Moral bemühen, sondern von bloßer Vernunft: sich und seinen eigenen Körper zu schützen bewahrt schlicht und ergreifend die Krankenhäuser und Intensivstationen vor einer COVID19-Überlastung. Im Juni sprach ich davon, wenn 75 bis 80% der Bevölkerung geimpft seien, würden wir besser durch den Herbst/Winter kommen. Aber leider liegen wir, trotz guter und niederschwelliger Impfangebote, nur bei 61,1% Zweitimpfungsquote.

Dass mir bei der öffentlichen Thematisierung dieses Zusammenhanges genauso viel Hass entgegenschlägt wie am Wochenende nehme ich mittlerweile so hin – auch weil ich weiß, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht von denen repräsentiert wird, die mich bepöbeln oder – viel frappierender – Impfhelfer:innen etc. tätlich angreifen.

Was mich dann aber doch nicht ganz kalt lässt, ist die Tatsache, dass nun die Thüringer FDP auf einen fahrenden Hysterie-Zug aufspringt und mich auffordert, mich für meine Aussage, wir steckten mittlerweile in einer Pandemie der Ungeimpften, zu entschuldigen. Nun muss die FDP Thüringen sicherlich nicht Bodo Ramelow glauben, aber vielleicht ist auch ihr nicht entgangen, dass führende Wissenschaftler genau diese Entwicklung tagein, tagaus beschreiben – so wie die leitenden Ärzte des RegioMed Klinksverbundes oder  zuletzt unter anderem die Leiterin des Wissenschaftlichen Beirates der Landesregierung Frau Dr. Dr. Dickmann in einem ausführlichen Interview mit der TA.

Diese evidenzbasierten Erträge der Wissenschaft in die Politik der Landesregierung einfließen zu lassen, ist meiner Meinung nach alles andere als entschuldigungswürdig. Aber die Maßstäbe der Thüringer FDP sind ja nicht erst gestern schon einmal verrutscht.