Eine Woche von der BUGA bis zur Bundesratspräsidentschaft
Es gibt sie immer wieder – die denkwürdigen Wochen, die selbst in meinem vollen Terminkalender lange nachhallen. So eine Woche war auch die letzte.
Am Freitag, den 08.10.2021, wurde ich zum Bundesratspräsidenten gewählt und übernehme damit für ein Jahr lang die – zumindest nach Bundesratsinterpretation – protokollarisch zweitwichtigste Position im Staat. Als ich 2014 meine erste Amtszeit als Ministerpräsident antrat, lag der Gedanke an eine mögliche Bundesratspräsidentschaft noch in weiter Ferne, schließlich ist jedes Bundesland regulär nur alle 16 Jahre an der Reihe. Zuletzt wurde Thüringen mit Dieter Althaus im Jahr 2003/2004 diese Ehre zuteil.
Umso schöner war es, als am letzten Freitag alle 15 Amtskolleginnen und Kollegen auf die Frage des noch amtierenden Bundesratspräsidenten Reiner Haseloff, ob sie mich zu seinem Nachfolger wählen wollten, laut und vernehmlich mit „Ja“ antworteten.
Da das jeweilige Bundesratsvorsitzland auch in jedem Jahr die Festivitäten zum Tag der Deutschen Einheit samt großer PR-Kampagne nebst Logo ausrichtet, konnte ich bereits bei der Annahme meiner Wahl auf unser tolles Logo für den kommenden Tag der Deutschen Einheit, das ich am Revers trug, zeigen – ein schönes Gefühl.
Dasselbe Logo – zwei einander zugewandte 2en, die zusammen ein Herz bilden – stand auch zwei Tage später – natürlich um einige Nummern größer – auf der großen BUGA-Abschlussveranstaltung, bei der ich das große und ja – auch etwas traurig stimmende – Privileg hatte, die Verabschiedungsrede zu halten. 171 Tage, 25 Außenstandorte und 1,5 Millionen Besucher – was für ein Sommermärchen.
Es war dabei sicher nicht bloß Zufall, dass der 10.10. auch noch in einem anderen Kontext für mich eine ganz entscheidende Rolle im Leben spielte. So war es auf den 40 Jahre her als ich als junger Gewerkschafter zusammen mit anderen Gewerkschaftskollegen im Bonner Hofgarten unter dem Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“ an der größten Friedensdemonstration teilnahm, die es bis dahin auf deutschem Boden gegeben hatte. Auf dieses Motto, das heute zu einem geflügelten Wort geworden ist, habe ich auch in meiner Verabschiedungsrede Bezug genommen, denn der Petersberg und damit eines der Herzstücke der Erfurter BUGA, hat eine ganz spezifische – über Jahrhunderte geprägte – militärische Tradition. Bereits in den 1990er-Jahren habe ich als Vorsitzender des Kulturvereins „Mauern brechen“ gemeinsam mit vielen Unterstützern und gegen erheblichen Widerstand damit begonnen diesen Berg umzuwidmen. In jener Zeit wurde u.a. das Deserteursdenkmal errichtet, das der ermordeten Wehrmachtsdeserteure gedenkt, die nicht mehr bereit waren, für den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg zu sterben. Dass dort seit Kurzem auch der Achava-Paradiesbaum seinen Stammplatz gefunden hat zeigt, mit welcher Kreativität der Petersberg zu einem wahren Zentrum der Vielfalt, Buntheit und Gedenkens geworden ist. Die BUGA bildet in diesem Kontext gewissermaßen den letzten Baustein, der den Petersberg zu einer wahren Oase des Friedens werden lässt.
Zum BUGA-Abschied gehört traditionellerweise auch immer die Übergabe des symbolischen Staffelstabes an die nächste Ausrichter-Stadt, in diesem Fall Mannheim. Auch dort wird die BUGA ein ehemals militärisches Gelände verwandeln – nämlich die sogenannten Spinelli-Baracks, die über eine Seilbahn mit einem anderen Teil der künftigen BUGA – nämlich dem Luisenpark – verbunden sind. Dort fand bereits in den 70er-Jahren einmal eine BUGA statt und auch ich erinnere mich noch gut, damals dort gewesen zu sein.
Als ich die Bühne verließ, kamen sowohl der Mannheimer Oberbürgermeister als auch seine Frau und der Geschäftsführer der Gartenbaugesellschaft auf mich zu und sprachen mich auf meine Schilderungen zu der Demonstration im Bonner Hofgarten an. Am Ende stellte sich heraus: Wir waren alle dort gewesen. Und nun – 40 Jahre später – stehen dieselben Menschen, die damals für ihren Traum von Frieden demonstrierten, gemeinsam auf dem Petersberg und freuen sich über das gemeinsame Projekt BUGA, das nicht nur auf eine ganz besondere Weise das Gefühl für das Schöne, sondern auch für den Frieden in uns Menschen anspricht – was für eine denkwürdige Woche.