Weil das Virus keine Grenzen kennt…

Das Corona-Virus lässt uns nicht zur Ruhe kommen. In Thüringen sind wir momentan besonders hart getroffen, aber auch der gesamtdeutsche Inzidenzwert weist wieder nach oben. Doch auch in anderen Ländern rollen neue Infektionswellen. Wenn uns Covid19 eines gelehrt hat, dann, dass Viren keine Grenzen kennen. Nationalstaatliche Abschottung schützt uns nicht vor Viren, die ein Schlagbaum vergleichsweise wenig interessiert. Schon allein deswegen ist europäische und globale Solidarität in der Pandemie nicht nur eine humanitäre Pflicht, sondern auch ein infektionsschutzstrategisches Gebot.

Thüringen hat sich in den vergangenen zwölf Monaten dabei in unterschiedlicher Weise engagiert. Bereits im April vergangenen Jahres haben wir mehrere französische COVID-Intensivpatienten in unserer Lungenspezialklinik in Neustadt im Südharz behandelt. Zur gleichen Zeit brach ein hochmotiviertes und spezialisiertes Ärzte- und Pflegerteam des Universitätsklinikums in Jena mit Beatmungsgeräten nach Italien auf, um in der damals schwer gebeutelten Lombardei Menschenleben zu retten. Erst in den vergangenen beiden Monaten schließlich sprangen wir gemeinsam mit Bayern und Sachsen der Tschechischen Republik sowie unserer Partnerregion in Polen Malopolska bei – beides Landesteile, die unter der Last von COVID19 immer mehr in die Knie gehen. Über die Dankesbriefe – u.a. auch von Präsident Macron – haben wir uns sehr gefreut. Für mich gilt in Krisenzeiten wie überhaupt im Leben der alte Satz: „Erst in der Not erkennst Du deine Freunde.“

Nach dieser Maxime müssen wir Politik gestalten. Das Virus darf uns nicht spalten oder glauben lassen, es gäbe einen Unterschied zwischen Kranken in Polen oder Thüringen. Jedes Leben ist kostbar. Wo wir helfen können und Ressourcen übrig haben, müssen wir handeln. Das ist gelebte Geschwisterlichkeit. Und da Geschwisterlichkeit auf Gegenseitigkeit beruht erwarten wir auch, dass Sonderimpfdosen der EU unseren Hotspot-Landkreisen zur Verfügung gestellt werden, damit dort schnell und unkonventionell geholfen werden und weiterem Schaden vorgebeugt werden kann. Jeden, der in dieser Situation hämisch darauf hinweisen zu müssen glaubt, man dürfe die Fahrlässigkeit von Corona-Leugnern oder Leichtsinnigkeit ganzen Regionen anlasten, in denen die Inzidenz steigt, halte ich für zutiefst unanständig. SarsCov2 kann jeden treffen. Und das Risiko steigt mit hohen Infektionszahlen. In dieser Situation Menschen aus Hotspotregionen unter Generalverdacht zu stellen ist nicht nur unfair und unsolidarisch, sondern auch kein Beitrag zur Problembewältigung.

Ebenso wenig wie Häme bringen uns parteipolitische Spielchen weiter, wie wir sie momentan in der Frage nach der Zulassung des russischen Impfstoffes „Sputnik V“ erleben müssen. Warum dieses russische Vakzin bei laufendem Prüfverfahren nicht von der Bundesregierung in Vororder genommen wurde, wie es bei anderen Vakzinen auch geschehen ist, kann ich nur schwer nachvollziehen. Oberstes Ziel muss doch sein, möglichst viele wirksame Impfstoffe zuzulassen, damit auch schnellstmöglich jedem Menschen ein Impfangebot gemacht werden kann. Nur so können wir in absehbarer Zeit wieder zu mehr Normalität gelangen. Denn machen wir uns nichts vor: Das Virus kennt nicht nur keine Grenzen, sondern auch keine außen- und sicherheitspolitischen Befindlichkeiten, egal wie berechtigt oder unberechtigt sie sein mögen.

Bis es soweit ist, müssen wir weiter mit einer Mischung aus AHA-Regeln, Achtsamkeit, Tests und Kontaktnachverfolgung die Infektionszahlen so gut es geht drücken. Zu dieser Strategie gehören m.E. auch die Luca-App oder ähnliche technische Anwendungen (, die in Mecklenburg-Vorpommern übrigens bereits eingeführt sind). In dieser Frage sollten wir ebenfalls zügig zu einer Lösung kommen, denn zu guter Letzt kennt das Virus auch keine Debatten darüber, ob Infektions- oder Datenschutz höher zu gewichten sei. Für mich gehört beides zusammen und wenn Luca und/oder ähnliche Anwendungen all das erfüllen, ist es nun höchste Zeit.