Einige Gedanken zu den neuesten Entwicklungen im Wirecard-Skandal

Zwei Schlagzeilen des heutigen Tages:

  1. Wirecard-Skandal: Ließ Jan Marsalek deutsche Politiker ausspionieren? (Berliner Kurier)
  2. Wirecard: Post von Kai. Wie Kai Diekmann für Wirecard in die Bresche sprang (Neues Deutschland)

Eigentlich dürfte man solche Nachrichten gar nicht mehr kommentieren, da sie all das sattsam Bekannte illustrieren, für was der Fall Wirecard nur pars pro toto steht. Und doch: Die Nachrichten des heutigen Tages adressieren mehr als nur Sensations- und Skandalisierungslust. Sie setzen direkt an der Schnittstelle von Verantwortung und Moral an – und an der Frage, wie man diese beiden Bestandteile vertrauenswürdiger und glaubhafter Politik ad absurdum führte.

Glaubt man den Berichten, sollte der Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi (DIE LINKE.) auf Bitten des Wirecard-Vorstandes vom österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) überprüft und ausgeschnüffelt werden. Als Verbindungsmann zwischen Wirecard und dem BVT soll ein ehemaliger Abteilungsleiter des mächtigen Geheimdienstes fungiert haben, der nach dem Ende seiner Karriere als Staatsdiener in einer Partnerfirma von Wirecard seine Brötchen verdiente. Aber warum das Ganze? De Masi, seines Zeichens ausgewiesener Finanzfachmann, hatte als erster deutscher Politiker auf Ungereimtheiten in der Bilanz des Unternehmens hingewiesen und dazu auch diverse Interviews gegeben. Sollte diese Praxis Schule machen, wären die Auswirkungen fatal: Das Signal an alle, die jeden Tag als Polizisten, Kaufleute oder Krankenpfleger hart für ihren Lohn arbeiten, wäre kein anderes als dasjenige, dass für riesige Finanzdienstleister die Spielregeln, die durch unsere Gesetze klar vorgegeben sind, nicht gelten – mehr noch, dass sie dieselben unter mittelbarer Kollaboration staatlicher Behörden sogar umgehen wollten und könnten.

In diesem Zusammenhang durfte der geneigte Zeitungsleser außerdem erfahren, dass auch Kai Diekmann, ehemaliger BILD-Chefredakteur, im Wirecard-Skandal eine wenigstens zweifelhafte Rolle spielte. Wenige Tage bevor Wirecard zugeben musste, dass in seiner Bilanz 1,9 Milliarden Euro fehlten, wandte sich Diekmann an Wirecard-Chef Markus Braun, u.a. mit den Worten: „Lieber Herr Dr. Braun, es macht fassungslos, wie Fakten und Darstellung von Fakten auseinanderfallen können. Bleiben Sie stark!“ Wenige Tage nach dieser Nachricht befand sich sein „lieber Herr Dr. Braun“ in Untersuchungshaft. Ob den ehemaligen Journalisten dabei echt emotionale Entrüstung oder doch ein mögliches Beraterhonorar geritten haben mag, wird im Nachhinein kaum zu sagen sein.  Dass er seit einiger Zeit mit seiner Firma „Story-Machine“ als Freelancer unterwegs ist, ist weder kritikwürdig noch verwerflich – im Gegenteil. Dass Kai Diekmann allerdings bei Staatssekretären der relevanten Ministerien für genau diese Firma lobbyiert haben soll, wirft doch ein Zwielicht auf seine Aktivitäten im Umkreis von Wirecard. In einer so kruden und schlechten Story am Ende auf der Seite derer zu stehen, die das Verschwinden von beinahe 2 Milliarden Euro nicht erklären können,  sollte, so meine ich, eigentlich nicht das Ziel eines vertrauenswürdigen Geschäftsmannes sein. Ansonsten wäre es aber spätestens jetzt an der Zeit, sich kritisch mit dem eigenen Tun auseinanderzusetzen.

Ob Kai Diekmann allerdings für Fabio De Masi, der für seine richtigen Fragen möglicherweise ausgespäht werden sollte oder wurde, aus seiner „Story Machine“ ebenfalls so starke Worte geliefert bekommt, wie sie sie für Herrn Dr. Braun ausspuckte, darf nach jetzigem Stand noch bezweifelt werden. Sollte man gegebenenfalls einmal darüber bei Clubhouse diskutieren? Diese Frage müssen andere beantworten. Ich hingegen werde heute Abend Clubhouse mit Tilo Jung über den Impfgipfel mit der Bundeskanzlerin sprechen.