Tag der Entscheidung

In wenigen Stunden trifft sich der Thüringer Landtag zu seiner Plenarsitzung und als Tagesordnungspunkt Eins wird die Wahl eines Ministerpräsidenten aufgerufen. Viele Augen sind heute erneut auf Thüringen gerichtet.

Die Ereignisse in den letzten Wochen sind auch an mir nicht spurlos vorbeigegangen. Manche Enttäuschung musste ich wegstecken und auch nach dem 5. Februar gab es in einem Maße Hass und Hetze, die mich immer wieder erschreckt. Ich weiß, dass das auch viele Bürgerinnen und Bürger bewegt. Überall wird darüber geredet, wann unser Bundesland wieder handlungsfähig ist.

Für die Menschen in unserem Freistaat, als deren Ministerpräsident ich erneut wirken möchte, geht es heute nicht nur um die Wiederherstellung politischer Stabilität im Land, sondern auch um die Fähigkeit von Parteien, stabil und verlässlich miteinander zu arbeiten. Seit dem 27. Oktober habe ich immer wieder deutlich gemacht und dazu auch Vorschläge unterbreitet, dass es uns auch unter schwierigen politischen Konstellationen gelingen muss, unter Demokratinnen und Demokraten verlässlich zu Lösungen für das Land zu kommen. Dafür braucht es den politischen Streit in der Sache, das Ringen um die besten Vorschläge aber am Ende eben auch die Verlässlichkeit, sich nicht Höcke und Co. auszuliefern.

Ich habe mich gestern mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Mario Voigt ausgetauscht und ihm mitgeteilt, dass ich erforderlichenfalls in allen drei Wahlgängen antreten werde. Heute ist nicht der Tag parteipolitischer Prinzipienreiterei sondern der Tag, an dem die Abgeordneten der Thüringer Landtags dafür sorgen müssen, dass wieder verlässlich regiert werden kann in Thüringen.

Dass die FDP, die maßgebliche Verantwortung für das Desaster des 5. Februar 2020 trägt, in Gestalt des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Kemmerich und der vier anderen liberalen Abgeordneten am heutigen Wahlakt selbst nicht teilzunehmen beabsichtigt, ist unverantwortlich aber damit letztlich auch der konsequente Schlusspunkt. Jede und jeder in unserem Land mag sich selbst ein Urteil darüber bilden, was es bedeutet, wenn gewählte Abgeordnete einfach einer der wichtigsten Entscheidungen, die der Landtag zu treffen hat, nämlich der Wahl eines Ministerpräsidenten, fernbleiben.

Und ja, die letzten Stunden hatten nochmals eine besondere Zuspitzung.

Da gab es die Sorge, dass sich ein Abgeordnetenkollege der CDU mit dem Corona-Virus infiziert hatte. Er selbst hat das öffentlich gemacht und hohes Verantwortungsbewusstsein gezeigt! Dafür auch im Nachhinein nochmals meinen Respekt!

Dann die Debatte um einen Video-Clip von der Strategiekonferenz in Kassel, die nochmal beweisen sollte, was ich für ein gefährlicher Typ bin. Ich wiederhole in aller Deutlichkeit und unmissverständlich: Mein Wertekanon und mein gesamtes politisches Handeln sind vom Respekt allen Menschen gegenüber geprägt. Wer glaubhaft für linke und emanzipatorische Politik steht, für den müssen Aussagen, wie in diesem Clip einfach inakzeptabel sein.

Und weil die Zeitung mit den vier großen Buchstaben heute auch nicht fehlen darf, erlaube ich mir den Hinweis, dass rot-rot-grün 2014 über eine eigene ausreichende Mehrheit bei der Wahl des Ministerpräsidenten verfügte. Ich habe nicht die Absicht, mich mit den Erzählungen von Wichtigtuern auch nur zu befassen. Für mich ist entscheidend, was mir Kolleginnen und Kollegen der Thüringer SPD bis heute bestätigen, dass es weder solche Gespräche noch solche Verabredungen gegeben hat.

Abschließend noch etwas zur AfD: Wer meint, dass im 75. Jahr der Befreiung vom Nationalsozialismus ein Geschichtsrevisionist wie Herr Höcke unseren Freistaat etwa am 5. April 2020 gegenüber den Überlebenden Buchenwalds repräsentieren soll, zeigt wessen Geistes Kind er ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Stimmen aus der CDU für Herrn Höcke gibt.

In diesem Sinne gehe ich in den heutigen Tag, optimistisch, dass wir ab morgen wieder stabil und verlässlich das Land regieren, uns weiter politisch auseinandersetzen und so den Freistaat gemeinsam nach vorn bringen, als Demokratinnen und Demokraten.

Übrigens, die Losung der Herrnhuter Brüdergemeinde für heute:

„Er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist. Epheser 1,18“