Wir brauchen den Dialog zum Gips!
Schon lange wird in der Südharzregion in Nordthüringen diskutiert, wie es mit dem Abbau von Gips weitergeht. Im Frühjahr erreichten mich zahlreiche Briefe von Bürgern, die in großer Sorge um Ihre Region sind, aber auch von betroffenen Unternehmen, von Betriebsräten, von Umweltverbänden und Kommunalpolitikern, die von mir wissen wollten, was die Landesregierung in diesem Bereich plant.
Ich fand, dass es nicht ausreichend ist, einfach auf die Briefe zu antworten. Viel wichtiger war mir, in Gang zu bringen, was ich schon beim Thema „Kalibergbau“ getan habe, nämlich die Betroffenen, also die Verantwortungsträger, die Nutzer, die Nachbarn und auch die Naturschutz- und Wirtschaftsverbände an einen Tisch zu bringen, um alle Argumente auszutauschen und Perspektiven zu besprechen.
2014 haben LINKE, SPD und Bündnis 90 / Die Grünen zum Thema Gips einen Satz in den Koalitionsvertrag geschrieben: „Neue Gipsabbaugebiete sollen nicht mehr genehmigt werden.“ Aber dieser eine Satz ist in der Sicht von 2019 gar nicht so klar, wie er da geschrieben steht, denn allein die Frage, welche Abbaugebiete genehmigt sind, führte zu vielen Debatten. Auch das ein Argument zu einem Dialog zu diesem Thema einzuladen, nicht, weil ich denke, dass das Thema noch bis zur Wahl zu bearbeiten ist, sondern weil es verschiedene neue Fragestellungen beim Thema „Gips“ gibt, die wir in der nächsten Legislaturperiode angehen müssen.
Fast 500 Menschen sind im Gipsabbau direkt beschäftigt. Das mag manchen wenig erscheinen, für die Region aber sind das gut bezahlte Arbeitskräfte und damit Menschen, die in der Region Steuern zahlen und Geld ausgeben. Der Faktor Wirtschaftskraft und Wertschöpfung in der Region ist also wesentlich höher, muss aber auch mit den Eingriffen in die Natur abgewogen werden. Darüber muss genauso besprochen werden.
Aber Gipsabbau bedeutet auch einen erheblichen Eingriff in die Natur. Wer den Kohnstein schon gesehen hat, der weiß, wovon ich spreche. Und gerade die Harzregion lebt auch vom Tourismus und einer einmaligen Naturlandschaft. Und dann sind die Kommunen vor Ort, die mit Recht darauf verweisen, dass sie zwar die Lasten des Gipsabbaus tragen, aber zur Kenntnis nehmen müssen, dass die meisten Unternehmen eben nicht aus Thüringen kommen und damit bleibt dieser Teil der Steuerkraft und Wertschöpfung nicht in der Region.
All diese Interessen gilt es zu berücksichtigen und deswegen hatte ich am vergangenen Mittwoch zum 1. Gipsdialog an die Hochschule Nordhausen eingeladen und über 90 Gäste aus den Kommunen, von Unternehmen, Umweltverbänden, Betriebsräten und Forschungseinrichtungen kamen.
Ich habe dabei deutlich gemacht, dass wir auch durch den Beschluss zum Kohleausstieg, dringend einen Austausch und verbindliche Festlegungen brauchen, wie wir die Zukunft des Gipsabbaus in Thüringen gestalten wollen. Gips ist ein bedeutsamer Rohstoff, der nicht nur im Baubereich eingesetzt, sondern auch in ganz anderen Bereichen, etwa in der Nahrungsgüterproduktion. Der Bedarf nach Gips steigt im Moment eher an aber gleichzeitig wird es durch die Stilllegung der Braunkohlekraftwerke keinen REA-Gips mehr geben.
So ist es mein Ziel, in Nordhausen ein Forschungszentrum anzusiedeln, dass diese Fragen künftig wissenschaftlich begleitet. Wie lässt sich Gips künstlich herstellen? Aber wie können wir den Rohstoff auch ganz ersetzen? Welche Alternativen gibt es und welche Rohstoffe hätten wir im Angebot?
Die Erforschung und Entwicklung von preiswerten Leichtbaustoffen wäre ein Beitrag um Wohnungsmangel in Ballungsräumen zu lindern. Der zu untersuchende Bogen reicht von Holz, Schafwolle selbst bis Anhydrit oder Phosphorgipsen. Wolfgang Tiefensee hat der Bundesumweltministerin diesbezüglich einen Brief geschrieben und ich unterstütze das sehr.
Und natürlich wünsche ich mir, dass es uns gelingt auch im Bereich Gips bzw. Gipsersatzstoffen, die Wertschöpfung in die Region zu holen. In Nordhausen gibt es dazu genug erschlossene Gewerbeflächen und ich werde mit den Unternehmen hierzu auch den Dialog suchen.
Die Gipskarstlandschaft im Harzer Vorland ist weltweit einmalig und mit den vielen kleineren oder größeren Auswaschungen und Höhlen ist die Flora und Fauna wirklich einzigartig. Solch eine Diversität der Natur kann und darf man nicht einfach „abbaggern“. Deshalb braucht jede Nutzung eine genaue Begründung und eine verlässliche Planung.
Und schließlich müssen wir die Eingriffe in die Natur so sanft wie möglich gestalten und auch den Tourismus im Südharz entwickeln, wozu etwa die „Ein-Harz-Initiative“ gehört. Also viele kleine Schritte, die wir gehen müssen.
In der Veranstaltung gab es den Vorschlag, diesen Dialog zu institutionalisieren, eine „Gipskommission“ oder einen „Runden Tisch Gips“. Wir werden in der Koalition diesen Vorschlag aufgreifen. Mir ist wichtig, dass wir alle Betroffenen beteiligen und gemeinsam Lösungen für die Region und die Menschen hier entwickeln.
Ich werde dran bleiben.