Eine BUGA ist mehr als nur Blümchen

In der vergangenen Woche war ich einen Tag lang in Baden-Württemberg unterwegs. In Mannheim sprach ich zu den Menschen auf dem Paradeplatz und in Heidelberg habe ich die Arbeit der Thüringer Landesregierung präsentiert und über die Fallstricke, aber auch die Genugtuung linker Regierungsbeteiligung gesprochen.

Mein ganz persönliches Highlight fand aber bereits am Vormittag statt. Nach einer Veranstaltung auf dem Marktplatz von Heilbronn durfte ich gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt, Herrn Harry Mergel und dem BUGA-Geschäftsführer Herrn Hanspeter Faas das Gelände der Bundesgartenschau mitten in Heilbronn besichtigen.

Und ich war begeistert, von dem, was ich da zu sehen bekam. Schon die Lage ist etwas Besonderes. Heilbronn liegt am äußeren östlichen Ende der Region namens Kraichgau im nördlichen Württemberg, mitten zwischen sanften Hügeln, die in dieser Gegend den Neckar, die Lebensader der Region, einhegen. Hier gedeihen die Weintrauben, die am Ende zum berühmten Trollinger oder Lemberger verarbeitet werden. Sie reichen bis fast hinab in die Stadt, die seit jeher ein schlagendes Herz der schwäbischen Industrie gewesen ist. Das konnte man ihr auch ansehen. Sie war zwar immer schon sehr wohlhabend (auch heute ist Heilbronn einer der reichsten Kommunen Deutschlands), für ihre Schönheit war sie allerdings nicht so richtig bekannt. Das Stadtbild wurde wie bei anderen Städten von diesem Format von der Schwerindustrie geprägt. Silotürme, Kräne, Bahndämme und Gewerbeparks bestimmen auch heute noch außerhalb der Stadtmitte oftmals das Bild.

Doch das hat die Denkerinnen und Denker hinter der BUGA nicht abgeschreckt. Sondern im Gegenteil: Es hat sie beflügelt, die alten Brachen und Ruinen neu zu denken. Und so ist ein faszinierendes Gelände entstanden. Um den alten Neckarhafen wurden große Wasserbecken angelegt. Nach dem Krieg hatte man ihn mit Schutt angefüllt. Jetzt planschen hier Kinder zwischen den Wasserspielen, während die Erwachsenen ringsum die Füße ins kühle Wasser halten. Dazwischen überall – natürlich – die Gärten. Azaleen, Tulpen und Veilchen künden vom Frühling. Bäume spenden Schatten und die zahlreichen Rasenflächen laden zum Verweilen ein. Die Stadt ist näher an den Fluss herangewachsen.

Gleich am Eingang hat man zwei Blickfänge errichtet, um die Menschen wie mit einem Magneten einzufangen. Zum einen das Gebäude der Experimenta, die schon seit vielen Jahren in Heilbronn Jung und Alt für Natur- und Ingenieurswissenschaften begeistern soll. Etwas weiter am Fluss entlang: der alte Hafenschlepper, der behäbig im Wasser liegt und als stummer Zeuge und letzter seiner Art von der alten Zeit der Binnenschifffahrt kündet.

Doch dazwischen verbirgt sich das, was diese BUGA 2019 zu etwas ganz Besonderem werden lässt. Nämlich die Wohnstudien und das damit verbundene Nachnutzungskonzept. Hier wurde Infrastruktur angelegt und schon von vorherein so aufgebaut, dass man an dieser begehbaren Studie ablesen kann, wie das neue Wohnviertel später einmal aussehen soll – denn genau das soll hier entstehen, wenn die BUGA im Herbst ihre Tore schließt. Wohnraum für mehr als 3.000 Menschen und Arbeitsplätze für nochmal über 1.000.

Die Häuser, die es jetzt bereits mitten in den Parkanlagen zu bestaunen gibt, verdeutlichen die konzeptionellen Überlegungen, die hinter diesem Gesamtkonzept stecken und sind allesamt Unikate. So wurde zum Beispiel ein Hochhaus komplett aus Holz errichtet. Angemerkt sei, dass man das nicht wirklich erkennen kann, wenn man es nicht weiß. Von außen mutet das Gebäude wie ein modernes aber gemeinhin normales Haus an. Die Konstruktion ist aber aus nachwachsender nachhaltiger Produktion, mit einem ökologischen Energiekonzept. Und mit seinen zehn Stockwerken ist es auch noch das höchste Holzhaus Deutschlands.

Das neue Viertel, das man hier also bereits erahnen kann, soll, laut den denken Köpfen hinter der Ausstellung, der „Motor einer weitreichenden Stadtentwicklung“ sein. Man spürt, dass hier die alten Wege der Bundesgartenschau, wie man sie in der BRD seit den 50er Jahren kannte, verlassen wurden. Längst geht es nicht mehr nur um Gartenbau, Grünanlagen und Naherholung. Hier sollen Zukunftsideen für das Leben im 21. Jahrhundert ausprobiert werden. Oberbürgermeister Mergel sagt dazu nur, dass die BUGA eigentlich nur die Klammer sei, für die Ideen, die hier praktisch erprobt werden.

Zum Beispiel können die Menschen, die sich entschlossen haben für die Dauer der Zeit in einem der Wohnhäuser auf dem Gelände zu leben, sich ihre Post von einem autonom fahrenden Lieferroboter bringen lassen. Der sieht zwar ein wenig unförmig aus, soll aber die Frage beantworten, ob die Menschen, die immer flexiblere Arbeits- und Lebensentwürfe haben, so eine Lösung annehmen. Der Postbote legt die Pakete oder Briefe in ein bestimmtes Fach am Automaten. Der dreht dann seine Runden durch die Stadt und benachrichtigt die Menschen automatisch, wenn er am entsprechenden Haus angekommen ist. Dort kann man mit dem richtigen Code seine Post entgegennehmen. Ein Konzept, dass vielleicht auch in den ländlichen Räumen des Landes eine Antwort auf die drängende Frage sein könnte, wie Brief, Zeitung oder Postkarte noch zu den Menschen gelangen sollen, wenn es immer weniger Menschen gibt, die diese austragen können.

So viele andere Projekte hat man hier mit wissenschaflicher Expertise erschaffen. Zu viele, um sie alle aufzuzählen. Als Beispiele möchte ich aber noch die beiden Leichtbaupavillions erwähnen. Beim einen haben sich die Wissenschaftler der Universität Stuttgart für die Baustruktur vom Körper eines Seeigels inspirieren lassen und so im Leichtbauverfahren eine extrem tragfähige Struktur erschaffen. Diese steht ihrem Gegenstück aber strukturell in Nichts nach – hier hat man sich aber vom Panzer des Kartoffelkäfers anleiten lassen. Mit diesen Konzepten will man zeigen, wie man auf Hausdächern, auch in großen Städten, tragfähige Anbauten anbringen könnte, um mehr Wohnraum zu gewinnen. Eine immens spannende Angelegenheit.

Bisher verbinden nur zwei sehr unschöne Geschehnisse unser Bundesland mit der Stadt Heilbronn. Zum einen der Widerstandskämpfer Walter Vielhauer, der unter falschem Namen im KZ Buchenwald inhaftiert war, zum anderen die heimtückische Ermordung von Michèle Kiesewetter auf der Theresienwiese im Jahr 2007. Doch im Herbst wird der Staffelstab der BUGA von Heilbronn an Erfurt weiter gereicht. Dann haben diese Städte auch endlich einen positiven Bezug zueinander. Ich werde hart daran arbeiten, dass die BUGA 2021 mit ihren eigenen Ideen auf dem Erfurter Petersberg die Konzepte moderner Stadt- und Raumplanung weiterdenken kann. Dass eine BUGA heutzutage eben wirklich mehr ist, als eine beschauliche Ansammlung verschiedenster Botanik, zeigt schon das Maskottchen, dass die Ausstellung in Heilbronn begleitet. Der kleine bärtige Gnom namens Karl ist nämlich komplett im 3D Drucker entstanden. Seine polygone Form verbindet die Tradition mit der Moderne und erzeugt Aufmerksamkeit. So wie die BUGA keine Blümchenschau ist, so ist Karl auch eben nicht einfach nur ein biederer Gartenzwerg. Das gefällt mir ausgesprochen gut und deswegen habe ich meinem eigenen kleinen Karl auch einen besonderen Platz in meinem Büro als Andenken eingeräumt.

Was in Heilbronn rund um die alten Hafenbecken und Neckarinseln gezaubert wurde, umreißt die Idee der Städte der Zukunft. Die BUGA selbst ist nur der Zwischenschritt in der Nutzung. Ich finde, dass die Antworten, die man hier in Nordwürttemberg gefunden hat, sehr überzeugende sind. Sie inspirieren mich für die weitere Arbeit an der Bundesgartenschau im Jahr 2021, die ich jetzt mit ganz neuer Motivation, Begeisterung und vielen neuen Ideen weiterführen werde.