Hoffnungsschimmer

Am Wochenende fanden gleich in drei Ländern Wahlen statt. In der Slowakei fand die Stichwahl um das Präsidentenamt statt, in der Ukraine der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahl und in der Türkei Kommunalwahlen.

Bei allen drei Wahlen gab es bemerkenswerte Ergebnisse, die im Detail durchaus überraschen.

In der Slowakei wurde mit Zuzana Čaputová erstmals eine Frau als Präsidentin gewählt, die für eine neue liberale Partei „Progressive Slowakei“ kandidiert hatte. Im Wahlkampf vertrat sie prononciert pro-europäische Positionen. Ihr Wahlprogramm war gekennzeichnet durch Themen, wie etwa die Gleichstellung von Frauen oder die Rechte von Homosexuellen, die in der katholischen Slowakei durchaus umstritten sind. Über 75% der Menschen im Alter zwischen 18 und 30 gaben ihr ihre Stimme. Unmittelbar nach ihrer Wahl hat sie Blumen am Denkmal für den ermordeten jungen Journalisten Ján Kuciak niedergelegt.

In Deutschland reflektieren wir sehr oft die Entwicklung in Osteuropa eher in einer pessimistischen Richtung. Gerade in Bezug auf Polen und Ungarn hören wir viel von autokratischen Tendenzen, von Einschränkungen der persönlichen Freiheiten und einer Abkehr von der europäischen Idee. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass Orban und Andere Positionen vertreten, die oftmals unseren Wertevorstellungen widersprechen. Was aus meiner Sicht aber vergessen wird, sind die historischen Gründe solcher Positionen, die wir mindestens im Kopf haben müssen, bevor wir Werturteile abgeben. Polen war jahrhundertelang Spielball seiner Nachbarn Deutschland, Österreich und Russland, Ungarn stand lange unter osmanischer Herrschaft. Und auch in den heutigen Tagen sind wir oft schnell dabei, wenn es darum geht, Lasten abzuwälzen, die wir selbst nicht tragen wollen.

Als Italien und Ungarn um Unterstützung bei der Verteilung und Versorgung von Flüchtlingen baten, da war es die deutsche Bundesregierung, die auf das Dublin-Abkommen verwies und jede Verantwortung von sich wies. Wenig später dann wurde Ungarn an den Pranger gestellt. Das ist eine Position, die mit Recht Unverständnis hervorruft.

Thüringen hat gute Beziehungen in den Osten Europas. Ob es unsere Partnerregionen „Malopolska“ und „Ungarn“ sind, mit denen wir den politischen, kulturellen und ökonomischen Austausch pflegen oder gemeinsame Projekte mit Tschechien oder ukrainischen Region Lemberg, immer geht es mir darum, die Brückenfunktion eines ostdeutschen Bundeslandes zwischen dem „alten“ Europa zu den nach 1990 hinzugekommenen Staaten zu befördern. Auch den Osteuropäern ist doch die Bedeutung Europas für ihre eigene Entwicklung bewusst, die Vorteile, die sie aus dem gemeinsamen Markt ziehen. Weder in Polen, Tschechien, Ungarn oder der Slowakei hegt jemand auch nur den Gedanken eines „Brexit“. Deswegen ist der Austausch so wichtig, das Werben für unsere Werte aber auch das Zuhören.

Erst im letzten Jahr war ich zweimal in Tschechien und habe mich mit dem dortigen Premierminister Andrej Babiš getroffen, um über die Vertiefung unserer Kontakte zu sprechen.

Insoweit freut es mich, wenn ich lese, dass Zuzana Čaputová deutliche Akzente bezüglich der EU-Mitgliedschaft der Slowakei setzt. Ich bin ihrer Meinung, dass die noch immer vorhandene Unterteilung zwischen „alten“ und „neuen“ EU-Mitgliedstaaten sollte endlich aufgehoben werden soll. Wenn sie auch innerhalb der Gruppe vier Visegrád-Länder (Polen, Ungarn, Slowakei und Tschechien) für ein Mehr an Miteinander wirbt, kann das nur hilfreich sein.

Und auch in der Ukraine mischt ein Kandidat das politische Establishment auf. Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewinnt überlegen den ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen und das mit einer Position, die nicht allein auf die nationalistische Karte setzt, sondern die Ukraine zwar als Teil Europas versteht aber eben auch ein Land, dass ein hohes Interesse an guten Beziehungen mit Russland haben muss. Wir werden sehen, wie die Stichwahl ausgeht. Wenn seine Wahl wieder Bewegung in den Konflikt in der Ostukraine bringen könnte, kann ich das nur begrüßen.

Und natürlich die Wahlen in der Türkei, die nur als starkes Signal verstanden werden können, dass es Erdogan eben nicht gelingt, einfach durchzuregieren. In allen großen Städten konnte die Opposition zulegen und hat mit Ankara, Antalya, Istanbul und Izmir in bedeutenden Zentren Siege eingefahren. Es war nicht nur die Unzufriedenheit mit der ökonomischen Lage. Offenbar gibt es gerade in den Städten einen großen Wunsch, demokratische Grundrechte zu bewahren oder wiederherzustellen. Gefreut habe ich mich auch über die Wahlerfolge unserer Schwesterpartei, der HDP. Gerade sie ist von Repression betroffen: Der Parteivorsitzende und viele Abgeordnete sind inhaftiert, Bürgermeister wurden abgesetzt und trotzdem gelang es ihr, erneute viele Kommunen und Provinzen zu gewinnen.

Auch das ist ein Zeichen der Hoffnung für mich. Es ist jetzt an Erdogan und der AKP diese Signale ernst zu nehmen und die demokratischen Rechte und Freiheiten der Menschen in der Türkei wiederherzustellen.