In Gedanken in Madrid

Heute beginnt in Madrid vor dem Obersten Gerichtshof der Prozess gegen ein Dutzend führender Vertreter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Unter anderem sind der ehemalige Vize-Regionalpräsident Oriol Junqueras, die ehemalige katalanische Parlamentspräsidentin, Carmé Forcadell sowie die die Anführer der beiden größten Unabhängigkeitsbewegungen ANC und Ómnium Cultural Jordi Sánchez und Jordi Cuixart.

Die Anklage lautet auf „Rebellion“, was für die Angeklagten Haftstrafen bis zu 25 Jahren bedeuten kann. Seit über einem Jahr sitzen die Angeklagten in Untersuchungshaft und auch der Prozess soll über drei Monate andauern.

„Rebellion“, lautet also der Vorwurf, der in Artikel 473 des spanischen Strafgesetzbuches geregelt ist. Entscheidend ist dabei, dass nach Auffassung vieler Juristen in Spanien Voraussetzung für die Erfüllung des Straftatbestandes ist, dass zu einem öffentlichen und vor allem zu einem gewaltsamen Aufstand gegen die demokratischen Institutionen aufgerufen wird. Wie immer man zu den Forderungen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung stehen mag aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass die katalanische Regionalregierung, die sie tragenden Parteien oder auch und Unabhängigkeitsbewegungen zu gewaltsamen Aktionen aufgerufen hätten.

Bekanntermaßen scheiterte der Antrag Spanien auf Auslieferung von Carles Puigdemont genau an dieser Frage. Das zuständige deutsche Oberlandesgericht in Schleswig kam zu dem Schluss, dass die vorgeworfenen Handlungen jedenfalls mit „Rebellion“ vergleichbare Strafrechtsnormen wie Hochverrat oder Landfriedensbruch nicht erfüllen würden.

Meine Auffassung zu den Forderungen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung habe ich mehrfach deutlich gemacht.

Zuletzt habe ich hier im Tagebuch dazu geschrieben.

Ich finde, dass Spanien aufgerufen ist, seine innerstaatliche Ordnung so zu gestalten, dass es einen wirklichen Föderalismus mit einem Interessenausgleich zwischen Zentralstaat und den einzelnen Teilstaaten gibt. Das ist ein Prozess, der nicht übermorgen abgeschlossen sein wird, der aber dringend begonnen werden sollte.

Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass der spanische Premierminister Pedro Sánchez bemüht ist, mit Katalonien einen Dialog zu begonnen und einen neutralen Vermittler benennen will. Wie schwierig allein ein solcher Schritt ist, konnte man am Sonntag beobachten, als Konservative und Rechtsextreme Hand in Hand in Madrid gegen jedes Gesprächsangebot der spanischen Regierung an die katalanische Regionalregierung demonstrierten. Die tiefe Spaltung der spanischen Gesellschaft in dieser Frage wurde einmal mehr deutlich.

Umso wichtiger ist es, jeden Ansatz von Dialog und Gespräch zu befördern und zu unterstützen, ohne dabei von außen vermeintlich kluge Ratschläge zu erteilen. Aber meine Gedanken sind heute bei denen, die in Madrid vor Gericht stehen. Ich hoffe, dass sie ein faires und rechtstaatliches Verfahren erwarten können, wie es auch der spanische Premierminister Sánchez mehrfach garantiert hat. Meine Gedanken sind aber auch bei jenen Kräften in Madrid und Barcelona, die endlich in einen ernsthaften Dialog miteinander treten wollen, ohne Vorbedingungen und Ultimaten. Gespräche und Verhandlungen sind allemal besser als jeder Prozess.