Zu Besuch in Prag

Für Tschechien ist das Jahr 2018 ein ganz besonderes Jahr. Am 28. Oktober jährt sich zum 100. Mal die Gründung der Tschechoslowakei nach dem 1. Weltkrieg, am 29. September jährte sich zum 80. Mal das Münchener Abkommen, das das Ende der Tschechoslowakei vor dem Zweiten Weltkrieg besiegelte und der Prager Frühling jährt sich zum 50. Mal, der Hoffnung für viele Menschen in Osteuropa war und durch den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes jäh beendet wurde.

Im vergangenen Jahr fragte die Deutsche Botschaft in der Tschechischen Republik bei uns an, ob wir nicht zur Feier des Tages der Deutschen Einheit den Freistaat Thüringen in der Botschaft präsentieren wollen. Wir mussten nicht lange überlegen. Thüringen und Tschechien haben zwar keine gemeinsame Grenze aber mit dem Vogtland eine gemeinsame Kulturlandschaft, von Erfurt bis Prag sind es mit Auto keine vier Stunden und die Verbindungen zwischen unseren Ländern sind ökonomisch, kulturell und auch historisch vielfältig, so dass wir gern die Chance ergriffen haben, uns in Prag zu präsentieren.

Erst im Frühsommer hatte ich Prag und Usti nad Labem besucht und viele Gespräche geführt, an die ich nun anknüpfen konnte. Gleich mit fünf „B“ konnten wir in Prag werben. „B“ das sind Burgen und Schlösser, die gibt es zahlreich in Tschechien aber größer ist die Dichte in Thüringen, „B“ das sind kulinarische Genüsse, nämlich das Thüringer Bier und die Bratwurst, „B“ steht für Bibel und damit die Bedeutung der Reformation für Thüringen. Und schließlich steht „B“ für Bauhaus und damit das Jahr 2019 in dem wir in Thüringen den 100. Geburtstag des Bauhauses begehen.

Genug Gründe also auch in Tschechien dafür zu werben, nach Thüringen zu kommen. Und das Interesse war beeindruckend. Über 1.000 Gäste folgten unserer Einladung. Der Präsident des Tschechischen Senats ebenso wie die Finanzministerin der Tschechischen Republik, Vertreterinnen und Vertreter anderer Staaten, von tschechischen Organisationen und Institutionen die sich nicht nur ein Stück der 135m langen Bratwurst von „Die Thüringer“ aus Dornheim und „Köstritzer“ Bier schmecken ließen. Sie waren genauso angetan von Mariama Jamanka und Alexander Rödiger die mit ihrem Bob den Thüringer Spitzensport repräsentierten, dem Nachbau einer Bauhaus-Wiege und der Präsentation Thüringer Unternehmen, wie „Zeiss“. Die Resonanz war überwältigend und wir konnten uns mal wieder von unserer besten Seite zeigen. Thüringen ist eben mehr als Bratwurst und Kloß und es lohnt sich für unser Land zu werben.

Natürlich habe ich darauf hingewiesen, dass uns nur ein paar Kilometer Schiene auf der Höllentalbahn fehlen, um Erfurt und Prag noch schneller miteinander zu verbinden. Wenn wir ab Dezember von Erfurt direkt nach Wien reisen können, dann sollte es doch auch bald möglich sein, von Erfurt nach Prag zu reisen und umgekehrt. Bei meinen Gesprächen habe ich ein großes Interesse für die Situation in Thüringen gespürt. Es gab viele Fragen zur Lage in Ostdeutschland und viel Verständnis. Schließlich haben auch die Tschechen nach 1989 einen ähnlichen Veränderungsprozess wie Thüringen durchgemacht, mit Brüchen aber eben auch mit dem Ergebnis, dass beide Länder heute sehr gut dastehen und sich nicht verstecken müssen.

Und auch diese Veränderungsprozesse sind eng mit Prag und der Deutschen Botschaft dort verbunden. Im Sommer 1989 kletterten zuerst wenige, später immer mehr DDR-Bürger über den Zaun der Botschaft, um so ihre Ausreise in die BRD zu erzwingen. Mit Christoph Bürger durfte ich einen Zeitzeugen kennenlernen und treffen, der zu den Allerersten gehörte, die damals in die Botschaft kamen und sich später auch um die Organisation des Lebens von 5.000 Menschen auf dem Botschaftsgelände kümmerte. Was das bedeutete, wenn es zu wenig Schlafplätze gab, nur 8 Toiletten und sehr viel Ängste und Spannungen, das hat er mir sehr eindrücklich berichtet. Auch wie wichtig es war, das Hans-Dietrich Genscher nach den Verhandlungen mit der DDR selbst zu den Menschen nach Prag kam und ihnen eben nicht nur mitteilte, dass sie ausreisen dürfen, sondern auch sagen musste, dass diese Ausreise durch das Gebiet der DDR erfolgen muss und er höchstpersönlich für ihre Sicherheit bürgt. Diese Menschen gehören zu jenen, die das Tor zur Deutschen Einheit mit aufgestoßen haben in diesen Tagen und gerade auch die Züge, die dann durch die DDR rollten, waren der Beginn vom Ende der DDR. Mir hat dieses Gespräch auch noch mal sehr deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass wir diesen Teil der Geschichte wachhalten, weil er so viel deutlich macht: Es sind Menschen, die Geschichte machen! Es waren die Bürger der DDR, die die Wende eingeleitet haben, war der Mut von Menschen wie Christoph Bürger, die das ermöglichten. Herr Bürger lebte dann lange in Bayern und lebt heute wieder in Chemnitz.

Der Abend in Prag hat sich also wirklich gelohnt. Manche Kontakte sind neu entstanden und viele Ideen und Projekte habe ich mitnehmen können, die wir nun beginnen müssen, mit Leben zu erfüllen.