Sommertour #ZukunftThüringen: Tag 3: Von Museen zum Anfassen, schwimmenden Hotelzimmern und verwunschenen Grabstätten

Auf meiner Sommertour #ZukunftThueringen entdecke ich in dieser Woche die Schätze, die Thüringen in der Ferienzeit zu bieten hat.

Mein dritter Tourtag beginnt in Leutenthal im Kreis Weimarer Land, wo mich Oswald und Erika Malarski vor ihrem großen Hof empfangen. Im Bauerngarten gibt es allerlei Kräuter und große Blumentöpfe mit Blühpflanzen zu entdecken, die Insekten anziehen. Gepaart mit warmen Sandsteinmauern, liebevoll in Schuss gehaltenen Sitzmöbeln, altem Werkzeug und allerlei Obskuritäten (wie einer goldenen Klingel in Löwenform oder winzigen Gießkannen), mutet der Hof bei diesem Sommerwetter mediterran an. Oswald Malarski ist Diplom-Agraringenieur im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau hat er vor 20 Jahren das „Scheunenmuseum“ gegründet. Bevor ich eine Führung erhalte, gibt es erstmal einen leckeren selbstgebrauten Kräutertee. Danach begebe ich mich auf eine Entdeckungstour, die viele Leutenthaler Kinder kennen werden und die ich auch allen Leser/innen des Tagebuchs als „Ferientipp“ ans Herz legen möchte: Hier gibt es Ausstellungsstücke auf verschiedensten Gebieten. Auf drei Etagen werden Alltagsgegenstände des Landlebens seit der Nachkriegszeit, historische Technik und Werkzeuge, 3-4000 Falter und Fossilien und Insekten bewundern. Und diese Sammlung wächst beständig. In jedem Jahr küren die Malarskis ganz besonders für Leutenthal einen Falter, Baum, Vogel oder Käfer des Jahres. Jährlich findet eine Insektensonderausstellung statt. Seine Motivation, so Herr Malarski, ist, den Forschergeist junger Menschen zu wecken und ihnen etwas Interessantes zu bieten, das das dörfliche Umfeld für sie lebenswert macht.

Von dieser Motivation ist ein weiterer Leuthenthaler beseelt: Wir begeben uns zu Fuß zum nahegelegenenhttp://www.mechanica-da-vinci.de/ Freilichtmuseum „Mechanika Da Vinci“. Auf einer Anhöhe zwischen Laubbäumen hat Karl Heinz Brunner eine bemerkenswerte Erlebniswelt für alle Generationen geschaffen: Herr Brunner, von Beruf Modellbauer, pachtete nach Eintritt in den „Unruhestand“ einen Berg der Gemeinde Leutenthal, um dort maßstabsgetreue Dampflokomobile auszustellen. Damit fing alles an. Mit dem wachsenden Interesse der Bevölkerung, kamen kleine verglaste Ausstellungshütten mit unterschiedlichsten historischen Dampf-Loko-Mobilen hinzu. 2003 baute Herr Brunner die ersten Maschinen nach Entwürfen von Leonardo da Vinci. Die aus metallenen Zahnrädern, Schwungrädern, Eisenstangen bestehenden und mit farbenfroh gestalteten Maschinen sind überall auf dem Ausstellungsgelände zu sehen und können durch große und kleine Besucher/innen selbst bedient werden. Immer mehr Schulklassen strömten in das Freilichtmuseum um „Physik direkt“ zu erleben und physikalische Grenzen spielerisch auszuprobieren. Darum erweiterte die Familie Brunner die Exponate bald um einige kleine Holz-Werkstatthäuser, welche traditionelle Berufe – von der Drechslerei bis zur Töpferei – repräsentieren und die Besucher/innen zum Ausprobieren einladen. Mit etwas fachkundiger Anleitung drechsele ich einen Kerzenständer und schnitze ein kleines Holzschwert, das Attila mir vermutlich sehr schnell entwenden wird… Viele Fotos und Dankesbriefe bezeugen, wie wohl sich die kleinen und großen Gäste bei Karl-Heinz Brunner auf dem Berg fühlen und wie stolz sie auf ihre handwerklichen Ergebnisse sind.

Für dieses wunderbare ehrenamtliche Engagement hat Karl-Heinz Brunner im vergangenen Jahr zu Recht die Thüringer Kulturnadel verliehen bekommen. Die „Mechanika Da Vinci“ macht Leutenthal zu einem touristischen Anziehungspunkt. Auch Familie Malarksi engagiert sich mit großer Leidenschaft und Liebe zum Detail für die Heimatpflege. Ich bin ihnen für ihr Engagement dankbar, das viele Kinderaugen zum Leuchten gebracht hat, und komme gerne wieder.

Meine nächste Station führt mich nach Eberstedt im Weimarer Land – zur Hotel und Erlebnisinsel „Die Mühle“. Diese historische Mühle ist ein Unternehmen der besonderen Art: Ihr Eigentümer, Torsten Putze, ist in Eberstedt geboren und befasst sich beruflich mit dem Bau von Fenstern, Türen und Rolläden. Seit längerem beobachtete er jedoch die 300 Meter von seinem Grundstück gelegene, brachliegende Mühle und erkannte ihr Potenzial. 2003 kaufte er sie schließlich, um bald den verschütteten Mühlgraben und den Mühlteich auszuschachten und mit Thomas Smirek und Constanze Mayrhofer fähige Gastronomen für seine Idee der Erlebnishotellerie zu gewinnen.

Seitdem bietet die Hotel- und Erlebnisinsel ein sich ständig erweiterndes, außergewöhnliches Tourismusangebot, direkt am Ilm-Radwanderweg. Als gelernter Tischler fertigte Herr Putze in Modulbauweise kleine, achteckige Hütten, die durch ihren farbenfrohen Anstrich skandinavisch anmuten. Diese schaukeln nun auf dem Mühlteich und bieten Platz für je sechs Übernachtungsgäste. Zusätzlich können die kleinen und großen Gäste Schäferhütten beziehen, die sich in einem weit angelegten Park mit Tiergehegen voller Ziegen, Kaninchen und Enten befinden. Im Restaurant verkoste ich die köstliche, selbst geangelte Forelle aus dem Mühlenteich auf einem Salatbett, das mit einem Senföl zubereitet wurde, welches die alte Mühle in Zusammenarbeit mit der Senfmühle Kleinhettstedt selbst herstellt. Perspektivisch, so erfahre ich, planen die Unternehmer/innen einen Kneip- und Saunabereich, der die ganzjährige Nutzung der kleinen Holzhütten ermöglicht. Ich bin sehr gespannt, wie es mit der Hotel und Erlebnisinsel weitergeht und kann ihren Besuch nur wärmstens empfehlen!

Mit einem Ausflugsziel der ganz anderen, besonderen Art, beende ich meinen heutigen Tourtag: Im Landkreis Sömmerda empfangen mich Landrat Harald Henning und Helfried Becker am Camposanto Buttstädt. Ein „Campo Santo“ ist ein italienischer Friedhof mit reich verzierten Säulengängen und schmucken, eingelassenen Grabsteinen – zuletzt habe ich so etwas in Venedig gesehen. Doch auch in Thüringen gibt es einen solchen Friedhof zu bewundern. Erich Reiche, Vorsitzender des Fördervereins Alter Buttstädter Friedhof e. V., führt uns durch ein Steintor, das die Mitte zwischen zwei Arkadengängen, den „Friedhofshallen“ bildet und in einen alten, von Mauern und Sträucherhecken umgebenen, Park führt, auf dem große und kleine, reich verzierte Grabsteine und Metallkreuze stehen. Einige sind bereits stark verwittert. Dieser alte Friedhof in Buttstädt, so erklärt er mir, stammt aus der Zeit der Renaissance und gehört zu den ältesten Gartendenkmalen in Thüringen. Er ist einer von drei Camposanti in Mitteldeutschland, die bis heute weitestgehend erhalten sind. Über 100 Grabmale, Obelisken, Säulen und Kreuze dokumentieren hier die Grabmalkunst in Thüringen von der Renaissance bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Das Aufkommen dieser speziellen Friedhöre ist dabei auf die Reformation und den gesellschaftlichen Wandel in Mitteldeutschland zurückzuführen: Bis ins späte Mittelalter war es Brauch die Toten rund um die oder in der Kirche zu bestatten. Raumnot und hygienisch bedenkliche Verhältnisse zwangen zum Umdenken. Neue Friedhöfe wurden außerhalb der Stadtmauern angelegt und sie sollten nach Wunsch des Bürgertums repräsentativ sein. In der damaligen Zeit war Buttstädt ein wohlhabender Ort, der vom Viehandel mit Osteuropa profitierte. Auf dem Campo Santo setzten sich viele einflussreiche Bürger kleine Denkmäler, die reich mit Rosen, Totenköpfen, Schmetterlingen, Putten, Sternen, langen lateinischen Sinnsprüchen oder dem Antlitz der Verstorbenen verziert sind.

Herr Reiche weist mit auch eine in ein Portal eingelassene Tafel hin, die die Einrichtung des Friedhofs im Jahre 1592 belegt. Der Park, der heute eine ganz eigene, bezaubernde Ruhe ausstrahlt, überdauerte den Wandel der Zeit nur mit einigen Einbußen. Nachdem 1863 aus Platzgründen keine Bestattungen mehr möglich waren und ein neuer Friedhof gegründet wurde, lag er lange Zeit brach. Grabsteine wurden als Baumaterial verwendet. Im Laufe des 20. Jahrhunderts verwilderte der Park und wurde als Viehweide genutzt. Seine liebevolle Restaurierung ist neben vielen Förderer/innen, insbesondere der evangelischen Kirchengemeinde in Buttstädt zu verdanken. Dank ihr und vieler Ehrenamtlicher wurde der Friedhof in den vergangenen Jahrzehnten nicht der öffentlichen Nutzung und damit dem Abriss preisgegeben und kann nun schrittweise, u.a. mit Mitteln der Denkmalpflege, restauriert werden. Ich empfehle Ihnen einen Besuch dieses außergewöhnlichen Ortes – vielleicht zu einer der Dichterlesungen oder der Musikabende bei Fackelschein, die dort regelmäßig veranstaltet werden –  Spätestens aber 2021, wenn der Camposanto Außenstandort der Bundesgartenschau sein wird.