Innovationswoche der Sommertour #ZukunftThüringen – Tag 5: Von Robotern, Saugbaggern und Augmented Realiy im Betrieb
Heute endet meine dreiwöchige Sommertour #ZukunftThüringen, auf der ich wieder viele große und kleine Thüringer Erfolgsgeschichten und den Facetten- und Ideenreichtum meines Landes erleben konnte.
Zum Abschluss haben sich die Tourplaner/innen zwei Höhepunkte aufgehoben: Wir starten in Blankenhain, bei der SSR Technik GmbH. „SSR“ steht für „schalten, steuern, regeln“ und der Name ist Programm. Geschäftsführer Harald Blaho nimmt mich mit seinen Mitarbeiter/innen in Empfang und gibt mir während eines Rundgangs durch die Produktion einen kurzen Überblick über seine Firma: Geschäftsgegenstand ist die „auftragsbezogene Elektroprojektierung“, also die Planung und Erstellung von Mess-, Steuerungs- und Regelanlagen für die Industrie.
Als die Firma 1996 gegründet wurde, baute sie schwerpunktmäßig Schaltschränke, kümmerte sich von Verdrahtung und Inbetriebnahme bis hin zu Service und Revision. Diesen Geschäftszweig hat sie beibehalten und in den 2000ern kontinuierlich erweitert. Hinzu kamen u. a. die Wasseraufbereitung und Industrietechnik sowie industrielle Prüfstände. Irgendwann wurden die Bauteile so klein, dass sie für den Menschen nicht mehr zu handhaben waren. 2014 beschloss Herr Blaho daher, zu investieren und Robotik in die Planung, die Installation und den Service von Montageautomation zu integrieren. 2015 hielt eine 2D- und 3D-Roboter-Greifsystematik in die industrielle Prüfautomation Einzug.
Gemeinsam mit den Kund/innen plant die das SSR-Team seitdem Roboterautomatisierungslösungen für Teile oder den kompletten Produktionsprozess ihrer Firmen. Wie das konkret aussehen kann wird mir live demonstriert: Eine Firma wandte sich hilfesuchend an das SSR Team, da große Chargen chinesischer Standardbauteile (eine Metallhülse mit Gewinde) Fehler aufwiesen: „Du wusstest nicht, was du bekommst…“. Die SSR GmbH entwickelte daraufhin einen Roboter zur Bauteilanalyse per Bildverarbeitungsautomatisierung, der die Bauteile optisch analysiert und sortiert.
Ich bin beeindruckt vom Know-How, Erfinder- und Unternehmergeist des SSR-Teams. Herr Blaho, der selbst gelernter Elektroniker ist, bildet gezielt Systemelektroniker/innen aus, die sämtlich übernommen werden. Damit möchte er sein Unternehmen zukunftsfähig halten und die Stärken verschiedener Generationen von Elektrotechnikern nutzen. Derzeit zählt die Firma 11 Beschäftigte und einen Auszubildenden. Für die Zukunft fasst Herr Blaho weitere internationale Kooperationen, beispielsweise im asiatischen Raum, ins Auge und wünscht sich, dass eine/r seiner Mitarbeiter/innen eines Tages erfolgreich übernimmt. Ich drücke ihm die Daumen, dass er weiterhin ein so glückliches unternehmerisches Händchen beweist.
Meine nächste und letzte Sommertour-Station 2018 führt mich – last but not least – nach Saalfeld – und das zu gleich zwei Firmen: Ich besuche die https://www.rsp-germany.com/de/Reschwitzer Saugbagger GmbH und treffe zugleich auf die Batix Software GmbH, mit der sie eng zusammenarbeitet.
Seitens der RSP GmbH nehmen mich das Ehepaar Renger (beide Geschäftsführer) und Herr Graber (Geschäftsführer und Prokurist) in Empfang. Auf dem weiten Firmengelände gibt es viel zu sehen: Unterschiedliche Lastwagenmodelle (2-, 3- oder 4-Achs-Fahrgestelle) wurden mit großen Saugvorrichtungen bestückt, die sie entfernt an Elefanten oder Ameisenbären erinnern lassen. Folgerichtig ist der Elefant auch das Maskottchen der Firma.
„Hier läuft alles nach dem Motto <>“, lässt mich Herr Graber wissen. „Ein Saugbagger ist nichts anderes als ein großer Staubsauger auf einem LKW“: Mit einer Saugleistung von bis zu 42.000 Kubikmetern pro Stunde und 45.000 Pascal Unterdruck fördern die Saugriesen von RSP Schlamm, Erde, Sand, Steine und vieles mehr an die Erdoberfläche. In der Herstellung von Sauganlagen mit Ventilatortechnik ist die RSP GmbH Weltmarktführerin. Diese Technik findet z. B. beim Tunnelbau (RSP lieferte 2003 den Saugaufbau für den Gotthard-Tunnel), im Katastrophenfall (beim Abpumpen von Schlamm) oder bei sonstigen Bauprojekten (beengte Platzverhältnisse, Freilegung von Kabeln und Leitungen) Anwendung. Auch zur Kanalpflege in Venedig wurden bereits RSP-Maschinen eingesetzt.
Herr Renger erklärt, dass es drei Möglichkeiten gibt, einen Tunnel zu bauen. Mit der Schaufel – das ist sicher, aber langsam und mühevoll. Mit dem Bagger – das ist schnell, aber risikoreich. Ständig verursachen „Baggerbisse“ in Leitungen Stromausfälle – oder schlimmer – Explosionen und Brände mit Personenschaden, wenn sie z. B. Gasleitungen treffen. Die Haftung liegt dann bei den Bauunternehmen. Und hier kommt der Saugbagger ins Spiel, der schnell ist und trotzdem keine Leitung trifft: „Wir vergleichen ihn mit einem Hurricane – nur zielgerichtet“. Offenbar überzeugt dieses Konzept so sehr, dass der beste deutsche Kunde der Firma gleich 38 Saugbagger erwarb.
2018 zählt die RSP GmbH 250 Mitarbeiter/innen an 5 Standorten und ihr 25. Firmenjubiläum. In dieser Zeit wurden 10 Patente angemeldet und über 1000 Aufbauten umgesetzt. „Headquarter“ ist dabei Saalfeld, wo von der Forschung und Entwicklung bis zur Inbetriebnahme einfach alles angesiedelt ist. Neben zwei weiteren Standorten in Thüringen (3 Fahrzeuge pro Monat werden in Aschara gefertigt, bis zu 10 pro Monat sollen am neuen Standort in Dornburg-Camburg gefertigt werden), gibt es 2 Standorte in Großbritannien, die den Vertrieb und Kundendienst ergänzen. Das Unternehmen blickt optimistisch in die Zukunft: „Wir werden uns in den nächsten 5 Jahren verdoppeln“. Dabei produziert die Firma überwiegend für den internationalen Export.
Diesem unternehmerischen Erfolg, den die Firma mit großem sozialen Engagement in der Region verknüpft, verdankt sie u.a. den BVMW Mittelstandspreis Thüringen und des Landkreises und wurde 2017 durch die OTZ zum Jahressieger „Unternehmen in Ostthüringen“ gekürt.
Ein Zukunftsprojekt liegt im Bereich der Augmented Reality. Mit einer Virtual Reality-Brille auf dem Kopf stehe ich vor einem Saugbagger, den ich per Handbewegung starten und wieder abschalten kann. Diese einfache Bedienbarkeit ist z. B. für einen Techniker hilfreich, der mit dem Gerät noch nicht vertraut ist. In der Zukunft könnten Ingenieur/innen über diese Technik von Saalfeld aus hunderte Kilometer entfernte Baustellen mit chirurgischer Präzision betreuen. Fahrtkosten würden dann entfallen und mehrere Baustellen könnten an einem Tag „besucht“ werden.
Hinter dieser Entwicklung stecken Herr Rosenbusch und Herr Beck von der Batix GmbH, die heute ebenfalls vor Ort sind. Sie nutzen die Gelegenheit, mir ihre Arbeit vorzustellen, die sich im Bereich „webbasierter und agiler Systeme“ bewegt. Was bedeutet das konkret?
„Die Batix GmbH ist ein Thüringer IT-Unternehmen, das andere bei der Digitalisierung von Prozessen und Produkten berät.“, klärt mich Herr Rosenbusch auf. Es gibt sie seit über 20 Jahren. Sie verzeichnet nur 17 Beschäftigte, die allesamt aus der Region kommen. Trotzdem – oder gerade deswegen – kann sich die Firma mit „den ganz Großen“ der Branche messen – über 450 namhafte Großkunden greifen gerne auf ihre Dienste zurück. Das Erfolgsgeheimnis liegt dabei im „Batix Application Framework“. Hierbei handelt es sich um eine lernende Applikation, die sich bei den Kunden auf Wunsch „wie ein gutartiger Pilz, der sich ausbreitet“ mit allem vernetzt, was eine Schnittstelle hat.
Der unschlagbare Vorteil des Unternehmens liegt in seinen Mitarbeiter/innen, die „teilweise mit Maschinen sprechen können“. Vom alten Serviceschrank bis zu den großen Saugbaggern, die hier stehen, schafft es das Batix-Team gewissermaßen, „Digitalisierungsbrücken“ zu bauen. Dass es dabei teils keine Dokumente und Daten mehr zu den Maschinen gibt, ist zwar eine Herausforderung, doch kein Hindernis. „Unsere Mitarbeiter entwickeln zum Teil Kombiteile, um gleich mehrere Maschinen anzusteuern“. Auch Unternehmen mit älteren Maschinenparks schaffen so den Sprung in das digitale Zeitalter. Der „Werkzeugkasten“ des Application Frameworks wächst dabei mit jedem neuen Auftrag:
Nachdem die Batix GmbH für eine große Handelskette Bestellprozesse, Etikettendesign etc. standardisiert hatte, kamen die Tüflter/innen auf eine weitere Idee: Während ihrer Arbeit hatten sie festgestellt, dass ein großer Zeit- und Kostenfaktor darin lag, dass südeuropäische Landwirt/innen, ausgerüstet mit einem ca. 120-Seiten starken Handbuch, selbst für die Etikettierung ihrer Früchte zuständig waren. Da die Etiketten auf einer anderen Sprache waren und die Etikettierung viel Zeit in Anspruch nahm, ergab sich eine hohe Fehlerquote. Diese führte wiederum dazu, dass in Supermärkten viel Zeit darauf verwendet wurde, Ware vor Dienstbeginn umzuetikettieren. Die Batix GmbH entwickelte eine App zum „Obst-Scan“ für mobile Endgeräte. Binnen einer Sekunde ermittelt diese das richtige Label. „Hier ist Artificial Intelligence absolut sinnvoll“, sagt Herr Rosenstock. Beeindruckt stimme ich zu.
Weitere Projekte der Firma sind der Bot „Hydi“, der Mitarbeiter/innen hilft, in großen Datenplattformen nach bestehenden Erfahrungen mit einem Problem XY zu recherchieren. Oder eine ÖPNV-App für Busse, die auf einem integrierten Tablet die Fahrermappe, eine Kamera, die Türsteuerung, Unfallsoforthilfe, Funk, Stationsliste und Online Services vereint.
Mit diesem Abschluss meiner #ZukunftThüringen –Tour verabschiede ich mich guter Dinge in meinen persönlichen Sommerurlaub. Ich bin dankbar über die vielfältigen Eindrücke, die ich bei touristischen Highlights, engagierten Menschen und innovativen Unternehmen gewinnen dürfte. Und ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung im kommenden Jahr. Vielleicht ja auch bei Ihnen und Euch vor Ort.