Ein Tag in Thüringen

Es ist Plenarwoche in Erfurt. Das heißt eigentlich für den Ministerpräsidenten im Landtag präsent zu sein. Es ist für mich ein Zeichen des Respekts gegenüber den Abgeordneten, nur dann nicht im Landtag zu sein, wenn es wirklich unabweisbare, sehr wichtige Termine außerhalb des Landtages gibt.

Diese Woche beginnt mit den Sitzungen der Fraktionen am Mittwochvormittag. Die Linksfraktion im Thüringer Landtag hatte gestern den neuen Ostbeauftragten der Bundestagsfraktion, Matthias Höhn, eingeladen. Für die PDS gehörte es seit 1990 zu den wichtigsten politischen Aufgaben, sich für die Interessen der Ostdeutschen bei der gesamtdeutschen Vereinigung stark zu machen. Das bedeutet auch in der LINKEN darüber zu reden, was die Menschen im Osten Deutschlands in den vergangenen fast dreißig Jahren geschafft und erreicht haben (In Thüringen sprechen sowohl die ökonomischen Fakten als auch die Stadtbilder da eine klare Sprache) und eben aber auch nicht zu vergessen, dass nicht nur die Löhne nachwievor im Osten niedriger sind, sondern es auch sonst immer noch eine Reihe von ungleichen Entwicklungen gibt, um deren Überwindung wir uns kümmern müssen. Das beginnt beim Rentenrecht und endet bei der Frage, wie viele Bundesbehörden mit ihren Mitarbeitern im Osten angesiedelt sind. DIE LINKE nimmt sich dieser Themen an! Ja, inzwischen wählen mehr Menschen DIE LINKE im Westen als im Osten. Angesichts der Tatsache, dass im Osten aber auch deutlich weniger Menschen leben, ist das aber ja kein Grund zur Trauer. Aber wir regieren in drei ostdeutschen Ländern, stellen Landräte und Ober- und Bürgermeister und sind stark verankert in der ostdeutschen Gesellschaft und wollen das auch bleiben. Just am Dienstagabend hatte ich mit EU-Kommissar Oettinger die weitere Entwicklung in Europa diskutiert und natürlich treibt mich die Sorge um, dass Spaltungen zunehmen, der Rechtsnationalismus an Einfluss gewinnt und der Hass die Oberhand gewinnt. Um das zu verhindern, geht es darum, sich darum zu kümmern, die sozialen Verhältnisse in Europa weiter anzugleichen. Die schwächeren Länder in Europa und auch die Menschen aus der DDR bringen viel mit ein in unser Europa und in das vereinte Deutschland. Die starken Länder oder Teile davon schwach zu machen ist deshalb der falsche Ansatz. Wir müssen den jeweils schwächeren Teil stärken, das ist der richtige Weg, der nur gelingt in einem friedlichen und weltoffenen Europa. Nationalismus und Chauvinismus keinen Platz zu lassen, dafür hat Deutschland eine große Verantwortung. 

Im Landtagsplenum ging es am Mittwoch sofort zur Sache. Gestern war auch Weltflüchtlingstag und gerade im Moment haben wir allen Grund, uns um Menschen zu kümmern, die auf der Flucht sind. Auf Flucht vor Krieg, vor wirtschaftlicher Not oder Umweltzerstörung. Die Gründe sind vielfältig und so wichtig die Bekämpfung der Fluchtursachen ist, so wenig dürfen wir wegschauen, wenn beispielsweise im Momente Schiffe im Mittelmeer kreuzen und sich etwa Italien weigert, diesen Schiffen Zugang zu den Häfen zu gestatten. Genauso schlimm wäre es, wenn Menschen an Grenzen angehalten und anschließend zwischen Grenzen festgehalten werden würden. Ein Szenario, das ich mir einfach nicht vorstellen möchte. Eine Situation, die uns alle an das Schicksal jüdischer Flüchtlinge in den 30er und 40er Jahren erinnern muss. Oder Trump, der Familien auseinanderreißt und Kinder von den Eltern trennt. Dass die AfD diese Lage nutzt um Ängste und Hass zu schüren, ist nichts Neues. Fassungslos und fast sprachlos macht es mich immer wieder, wenn ich diese Reden im Plenum hören muss. Nein, ich will nicht in einer Gesellschaft leben, wo es uns egal ist, was mit Menschen passiert, sobald wir „sie los sind“. Deswegen sind für mich Abschiebungen persönlich schmerzhaft, denn welchem Schicksal setzen wir Menschen aus, die wir in Kriegsgebiete abschieben? Was erwartet sie dort? Oder nehmen wir nur die aktuelle Debatte zu den Rückführungen von Menschen nach Griechenland oder Italien, weil sie dort registriert wurden. Wenn diese Personen bei uns schon im Integrationsprozess sind, warum verschafft man dann den beiden Ländern noch weiteren Druck? Hatte Deutschland nicht solidarische Hilfe für Griechenland und Italien zugesagt? Hat der Bundesinnenminister zur Kenntnis genommen, was sein Kollege in Rom gesagt hat? „Wir nehmen niemanden zurück!“. Ich kann dazu nicht schweigen. Menschlichkeit wird dann sehr konkret! Mal abgesehen davon, dass die Zahl derer, die nach Deutschland kommen, im Moment sehr gering ist, geht es auch hier darum, welche Rolle Deutschland spielen will? Und ich kann mich nur wiederholen: Wir sollten uns für ein menschliches und weltoffenes Land einsetzen.

Natürlich gibt es auch unter den Flüchtlingen Menschen, die Straftaten begangen haben oder die die Fluchtströme nur benutzen um ihr kleinkriminelles Gewerbe darunter zu tarnen. Für diesen Personenkreis gilt aber, dass die Schranken des Rechtsstaates vor ihnen nicht halt machen. Straftaten müssen geahndet und Missbrauch unterbunden werden. Dazu bedarf es aber wirksamer Verträge mit den Herkunftsländern. Für die Grenzsicherung und für die Außenpolitik ist aber ausschließlich der Bund zuständig. Da würde ich ein mir geschlossenes Bild wünschen und keinen Populismus, nur weil in Bayern Landtagswahlen sind. Die zu lösenden Problemstellungen dürfen aber die Vielzahl vom Integrationswillen getragenen Initiativen nicht vor den Kopf schlagen. Humanitäre Hilfe und Menschlichkeit sollten der Kompass in unserem Land bleiben.

Und beim Thema Menschlichkeit sind wir auch sehr schnell im eigenen Land. Fast drei Millionen Kinder leben in Deutschland in Armut. Seit langem treibt mich dieses Thema um, denn wir brauchen jeden Einzelnen und müssen dafür Sorge tragen, dass jedes Kind die Chance auf eine gute Zukunft hat. Für ein reiches Land, wie Deutschland, sind die Zahlen ein Skandal. Die LINKE hat dieses Thema gestern im Landtag im Rahmen einer Aktuellen Stunde thematisiert und ich habe für die Landesregierung Stellung bezogen. Für geht es zum einen darum, dass wir eine kinderfreundliche Gesellschaft entwickeln. Und praktisch sehe ich einen Dreiklang, was zu tun wäre:

  1. Ein wichtiger Schlüssel für unsere Zukunft, ist die Frage, wie wir Bildung organisieren. Zentral für mich ist dabei die Beitragsfreiheit von der Kinderkrippe, über Kindergarten, Schule bis zur Uni streitet und zwar in guter Qualität. Bildung und Betreuung muss bundesweit beitragsfrei gestaltet werden, für alle Kinder.
  2. Wir brauchen eine Grundsicherung für Kinder. Dafür könnte das Ehegattensplitting abgeschafft und die freiwerdenden Mittel zur Finanzierung der Kindergrundsicherung verwandt werden. Dabei reden wir über ein Volumen von mehreren Milliarden Euro, je nachdem, wie die Steuergestaltung künftig wäre.
  3. Wie wäre es, wenn Waren und Dienstleistungen, die mit Kindern verbunden sind, künftig nur noch mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz belegt werden. Warum kann ich Hundenahrung für Attila mit 7% Mehrwertsteuer erwerben, Eltern zahlen aber für das Schulessen den vollen Satz von 19%? Ich bin sicher, dass es sich lohnt, bei diesem Thema um gesellschaftliche Mehrheiten zu ringen. Das ist das Stellen der sozialen Frage sehr konkret und unabhängig von der Herkunft.

Mich hat gefreut, dass es durchaus Konsens gab, dass wir hier mehr tun müssen und ich freue mich darüber, dass wir ins Gespräch kommen, was die besten Wege sind. So stelle ich mir politischen Diskurs vor. „Kinder First“ muss die Devise heißen und nicht „Deutschland oder Amerika First“.

Aber auch außerhalb des Landtages hatte ich gestern zwei wunderbare Termine.

Der eine betrifft die Entwicklung der Landeshauptstadt Erfurt. Spätestens mit der Eröffnung der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke von Berlin nach München gibt es hier eine neue Dynamik. Erfurt ist endgültig in die Mitte Deutschlands gerückt und nun werden auch erste sichtbare Impulse gesetzt. Gestern war der Spatenstich für das „prizeotel“ in der künftigen ICE-City Erfurt. Ich mache solche Spatenstiche ungern aber in diesem Fall habe ich eine Ausnahme gemacht, denn erstens ist Prizeotel ein junges, innovatives Unternehmen und zweitens beginnt mit diesem Projekt die Entwicklung des neuen Erfurter Stadtquartiers ICE-City. Die Entwicklung dieses Quartiers ist ein langer Weg und ausdrücklich danke ich der Landeshauptstadt Erfurt und auch der LEG für deren Einsatz und denke an viele Gespräche in der Vergangenheit. Auch als Oppositionsführer hatte ich dazu immer konstruktiven Austausch mit Frau Walsmann und dem ehemaligen Bauminister und jetzigen Landtagspräsidenten, Herrn Carius.

Ich weiß, dass Stadtentwicklungsthemen nie einfach oder unumstritten sind und seit vielen Jahren bin ich mit den unterschiedlichen Akteuren im Dialog. Dabei half und hilft mir auch die Schlichtung, die ich für die GDL mit der Deutschen Bahn AG geführt habe, denn dabei sind Kontakte entstanden, die die Freistaat Thüringen und der Stadt Erfurt durchaus nutzen. Ich sage das auch, weil es damals ja auch durchaus Nachfragen gab, was der Ramelow da macht und was das soll. Gerade kürzlich habe ich mich mit dem City Management e.V. getroffen und auch dort diskutiert, wie wir auch den Einzelhandel in der Stadt stärken können. Da helfen eben keine Blockaden, sondern da braucht es Gespräche und Idee, dann erreichen wir für Erfurt und Thüringen viel mehr. Ich bin optimistisch, dass sich der Erfolg des Bahnknotens Erfurt auch positiv auf die Stadtentwicklung auswirken wird.

Ganz nebenbei tat sich bei diesem Spatenstich auch ein Investor auf, der Interesse hat, sich in Oberhof bei der weiteren Entwicklung des touristischen Umfeldes zu engagieren. Königlicher Golfplatz und das dazugehörige denkmalgeschützte Golfhotel seien als Stichwort erwähnt. Dieses Interesse ist ein gutes Zeichen, finde ich.

Der Tag endete bei einem besonders schönen Projekt. Seit 20 Jahren findet alle zwei Jahre in Bad Salzungen ein Internationales Workcamp statt. Junge Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern treffen sich, lernen sich und ihre Kulturen kennen, arbeiten zusammen und erkunden Thüringen. Sie kommen dabei miteinander ins Gespräch, bauen Vorurteile ab und überwinden selbst sprachliche Barrieren. In diesem Jahr sind Jugendliche aus Deutschland, Indonesien, Litauen, Polen, Tschechien und Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak und Syrien dabei. Ein wirklich buntes Treiben und nur möglich durch das Engagement der Menschen vor Ort: Lehrerinnen und Lehrer, Unternehmer aber auch der Jugendlichen vor Ort. Ich finde, das hat einen großen Dank verdient.

Damit schließt sich der Kreis dieses Tages, dass es allemal besser ist, etwas für den konkreten Dialog und für Völkerverständigung zu tun.

Deshalb hängt ja an der Thüringer Staatskanzlei der Slogan: „Worte statt Waffen“.

Nur eine friedliche Welt bietet Chancen für alle Menschen.