Von Schulden, solchen und solchen Statistiken und was das eigentlich alles soll…

Im Moment bin ich sehr viel im Land unterwegs: Ich besuche Gemeinden und Städte, Landkreise, Unternehmen, Einrichtungen, kulturelle und touristische Orte im Land. Überall treffe ich engagierte Menschen: Unternehmerinnen und Unternehmer mit tollen Ideen, Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die sich für ihren Ort, ihre Region stark machen und Menschen, die sich im Ehrenamt für unsere Gesellschaft engagieren. Zum einen bestärkt mich das darin, dass wir gemeinsam auf einem guten Weg in diesem Land sind, zum anderen ist es mir wichtig, auch vor Ort zu sein, zuzuhören und gemeinsam zu überlegen, wie wir Herausforderungen anpacken und gute Lösungen finden können. Manchmal hat sich irgendwo was verhakt, manchmal braucht es einen Mittler und manchmal ist es mir wichtig, einfach nur Danke zu sagen.

Aber zum Glück gibt es ja MDR aktuell und der machte dann am 27. März auf Twitter mit der Meldung auf:

„Sachsen bei Schuldenabbau Spitze: 2017 minus 16% gegenüber dem Vorjahr. Sachsen-Anhalt (plus 2,7%) und Thüringen (plus 4,4%) machten als einzige Flächenländer neue Schulden.“

Den neuen Ostbeauftragten der Bundesregierung veranlasste das gar zu einem Tweet: „Peinlich für die @bodoramelow-Regierung… Sie können es nicht!“

Er hätte das auch auf den neuen Bundesfinanzminister und ehemaligen Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg beziehen können, den der musste sich den Titel „Schuldenkönig“ gefallen lassen, denn angeblich seien die Hamburger Schulden sogar um 4,7% gestiegen. Ausgerechnet beim neuen Garanten der schwarzen Null.

Zogen also Gewitterwolken aus Hamburg nach Süden in Richtung Thüringer Wald???

Vielleicht sei mir an dieser Stelle ein kleiner Exkurs erlaubt, wie ich es grundsätzlich mit öffentlichen Schulden halte… Bekanntermaßen halte ich überhaupt nichts von festgeschriebenen Schuldenbremsen. Mir ist nachhaltiges und vernünftiges Wirtschaften wichtig. Keiner kann auf Dauer auf Pump leben, auch der Staat nicht, selbst, wenn der nicht pleite gehen kann. Mir liegt viel daran, dass wir unser Tagesgeschäft so organisieren und auch unsere Verwaltung so aufstellen, dass wir unsere täglichen Ausgaben auch aus unseren eigenen Einnahmen erwirtschaften. Es gehört zur Wahrheit, dass Thüringen, wie auch weitere Bundesländer noch auf Transferleistungen aus dem Bund-Länderfinanzausgleich angewiesen ist. Aber der Bund muss auch den Ländern die Aufgaben ausfinanzieren, die wir für den Bund erledigen, das heißt Subsidiaritätsprinzip.

Zum Glück haben wir dieses solidarische Ausgleichsystem gerade völlig neu verhandelt und da wird der reine Ausgleich zwischen starken und schwächeren Ländern ab 2019 abgelöst durch eine neue Bund – Länderfinanzierung. Ab 2020 wird auch endgültig die Finanzierung durch den Soli für die neuen Länder eingestellt (der sogenannte Solidarpakt) und diese Steuereinnahmen behält der Bund dann ganz alleine. Der alte Länderfinanzausgleich war auch die Basis dafür, dass Bayern von einem Agrarland zu einem ganzen starken Industrie-Bundesland wurde und auch deshalb finde ich es nur fair, dass heute Bayern solidarisch anderen hilft. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir uns so aufstellen müssen, dass wir immer überlegen, was wir uns leisten wollen und können und wo wir Prioritäten setzen. Alles auf einmal wird nicht gehen. Denn das gebührenfreie letzte Kitajahr soll es ja dauerhaft geben, genau wie das Sinnesbehindertengeld und ich finde auch, dass es wichtig ist, dass die Thüringer Kommunen finanziell vom Land angemessen unterstützt werden. Ich weiß aber, dass wir in vielen anderen Bereichen Bedarfe haben… Etwas anderes sind aber Investitionen. Für Investitionen in die öffentliche Infrastruktur in Schulen, in Kindergärten, auch in Verkehrswege finde ich die Aufnahme von Krediten kein Teufelszeug, sondern halte das für absolut richtig.
Was wäre eigentlich passiert, wenn es 1990 schon die berühmt-berüchtigte Schuldenbremse gegeben hätte? Wie hätten die enormen Investitionen in die Infrastruktur geleistet werden sollen? Etwa die zuletzt eröffnete ICE-Trasse von Berlin nach München oder der Ausbau der Autobahnen aber eben auch viele andere Sanierungs- und Aufbaumaßnahmen. Thüringen stünde heute nicht da, wo es jetzt steht. Der gesamte Prozess hätte um vieles länger gedauert. Natürlich gibt es auch Projekte (manch ein Spaßbad, das heute den Kommunen keinen Spaß bereitet und manch ein Flughafen von dem selten oder nie ein Flugzeug abhob), bei denen ich bis heute sage: Dafür hätte die öffentliche Hand niemals einen Kredit aufnehmen oder auch nur einen Cent ausgeben dürfen. Ich finde nur, dass uns Pauschalurteile an dieser Stelle nicht weiterhelfen, denn auch im Westen gab es solche Fehlentscheidungen: Das Freizeitzentrum am Nürburgring oder das World Conference Center Bonn lassen grüßen. 
2014 betrug die Höhe der Schulden (ohne die vermeintlichen Sondervermögen bei der die CDU Schulden einfach ausgelagert hat und dies sogar „Vermögen“ getauft hat) , die das Land an langfristigen Verbindlichkeiten hatte, 15,857 Mrd. Euro. Diese Schulden wurden durch CDU geführte Landesregierungen bis 2011 aufgenommen, dem Jahr mit dem höchsten Schuldenstand, der damals bei 16,338 Mrd. Euro lag. Nochmal: Der Großteil dieser Schulden ist in den ersten 15 Jahren des Bestehens unseres Landes aufgenommen worden. Und wer weiß, welchen Umbauprozess Thüringen hinter sich hat, der versteht auch, dass da Investitionen notwendig waren.
Was mich stört, ist der Fakt, dass dann ausgerechnet die CDU in Thüringen meint in der Schuldenfrage Stilnoten verteilen zu müssen. Denn die Fakten sind, dass die rot-rot-grüne Landesregierung mit der sozialdemokratischen Finanzministerin Heike Taubert bisher in jedem Jahr Schulden abgebaut und die getarnten Schulden aus dem Sondervermögen in den transparenten Haushalt überführt und auch getilgt hat: 2014: 114 Mio. Euro, 2015: 100Mio. Euro, 2016: 166 Mio. Euro und 2017 knapp 416 Mio. Euro. Das macht in Summe fast 800 Millionen Euro und ich bin sehr optimistisch, dass diese Landesregierung am Ende ihrer jetzigen Amtszeit fast  1 Milliarde Euro an Schulden abgebaut haben wird. Das senkt die Zinslasten für die Zukunft, schafft neue Spielräume und ist verantwortungsvolle Finanzpolitik, denn wir investieren, wie bauen Schulden ab und legen Rücklagen an.
Aber zurück zur Meldung des MDR, dass wir doch angeblich mehr Schulden hätten… Ursprung der Meldung war eine Presseveröffentlichung des Statistischen Bundesamtes.
Hier ist tatsächlich ein Anstieg des Schuldenstands ausgewiesen. Und wer hat nun Recht, werden sich viele Leserinnen und Leser jetzt sicher fragen?
Das Statistische Bundesamt nimmt eine reine Stichtagsbetrachtung vor. Hier wird der Schuldenstand eines Jahres zum 31.12. mit dem Schuldenstand des Vorjahres ebenfalls zum 31.12. verglichen. Diese Zahlen haben jedoch nichts mit der Haushaltsrealität zu tun. Hier ist ausschließlich der Schuldenstand maßgeblich, der sich im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses ergibt. In diesen fließen auch Kreditumbuchungen (z.B. Anschlussfinanzierungen) im Rahmen des Schuldenmanagements ein, die zwar nach dem 31.12. aber noch vor Abschluss des Haushaltsjahres – typischerweise im Laufe des ersten Quartals im Folgejahr – erfolgen. Auch ein unterschiedlicher Bestand an Kassenkrediten zum Stichtag 31.12. kann massive Auswirkungen auf den statistischen Schuldenstand zum Stichtag 31.12. haben. Für das Haushaltsjahr und den Haushaltsabschluss ist das aber nicht von Belang. Wir haben es also mit zwei Betrachtungsweisen zu tun: einer haushaltsrechtlichen und einer statistischen. Herr Hirte hätte uns im letzten Jahr beispielsweise als Schuldenabbaukönige feiern können. Statistisch sanken die Schulden Thüringen von 2015 zu 2016 um 722 Millionen Euro, haushalterisch ab er „nur“ um die oben bereits erwähnten 166 Millionen Euro.
Oder praktisch versucht zu erklären. Eine private Familie hat drei Sparbücher, Mann und Frau haben noch jeweils ein Girokonto und zusammen haben sie ein Haus gekauft und dafür noch ein Hypothekendarlehen aufgenommen. Um das Haus zu abzubezahlen haben beide ein Bausparvertrag abgeschlossen und jeweils eine Lebensversicherung mit Restschuldabtretung. Nun bietet die Bank zum Jahresende eine kurzfristige Umschuldung an und der Bausparvertrag läuft im Januar läuft aus. Also überziehen beide Eheleute ihr Girokonto im Rahmen ihres Dispos um im Januar dann den Dispo mit der Teilauszahlung vom Bausparvertrag abzubauen. Die Schulden der Familie sind insgesamt gesunken und der Dispo kostet kurzfristig mehr Zinsen, aber eben nur ein paar Tage und ab Januar wurde der Dispo runtergefahren, die Zinsen im langfristigen Hypotheken Bereich gesenkt und dauerhaft die Raten reduziert, was zu noch mehr Schuldenabbau oder einer neuen Küche genutzt werden kann. Ich hoffe Sie verstehen was ich meine, wenn das Statistische Bundesamt nur den Anstieg im Dispo betrachtet, aber sich für die gesamt Schuld nicht interessiert, dann ist halt die MDR Nachricht richtig in Bezug auf die Statistik „Schuldenstand zum Stichtag 31.12.“, aber die Aussage Thüringen hätte zum Jahresende 2017 ein Plus von 4,4% mehr Schulden ist dann leider ganz falsch! Thüringen baut Schulden konsequent ab und macht das alles offen und transparent.
Dass es also mit den Zahlen so eine Sache ist, hat dann auch Herr Hirte gemerkt und twitterte am Morgen des nächsten Tages:
„Zahlen von MDR aktuell sind falsch. Fehler von mir, das einfach ohne nochmal nachzudenken übernommen zu haben. Passte einfach ins Weltbild. Sorry dafür und ja: peinlich für mich!“
Kann ja mal passieren…
Einen guten Artikel zum Hintergrund gibt es übrigens im „Handelsblatt“ und Martin Debes hat in der „Thüringer Allgemeinen“ sogar meine österliche Gelassengeheit gespürt.
Und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Osterfest, genießen Sie die Natur und die freien Tage, egal ob im Schnee oder im beginnenden Frühling, im schönen Thüringen oder wo auch sonst immer!