Großes, kleines Land – ein Besuch in Luxemburg

Mein erster Auslandsbesuch in diesem Jahr führte mich in das Großherzogtum Luxemburg. Der Anlass meines Besuches war vor allem die Eröffnung einer Ausstellung im Militärhistorischen Museum von Luxemburg in Diekirch zum Schicksal des Freiwilligenkorps der Luxemburger Polizei nach der Besetzung Luxemburgs 1940. Dieses Korps bestand aus jungen Luxemburgern, die eigentlich vor allem für die Grenzsicherung abgestellt waren. Im Winter 1940 wurde dieses Korps nach Weimar „verlegt“, angeblich, um für den Polizeidienst ausgebildet zu werden. Tatsächlich sollten die jungen Männer aber in den deutschen Polizeidienst eingebunden werden. Über die Hälfte des Korps verweigerte sich diesem Dienst, viele landeten im Konzentrationslager oder wurden sogar ermordet. Einige kollaborierten auch mit den Deutschen. Die Geschichte dieses Korps ist exemplarisch für die Situation in Europa im Zweiten Weltkrieg, sie ist vor allem eine Geschichte von Zivilcourage. Es waren Thüringer, die diese Geschichte entdeckt haben und vor einigen Jahren dazu eine Ausstellung gestalteten, die nun erstmals in Luxemburg gezeigt wird. In Luxemburg hat diese Geschichte durchaus zu Debatten geführt aber mir war es vor allem auch ein Anliegen, deutlich zu machen, wie wichtige eine aktive Erinnerungskultur ist, wie wichtig die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte ist, um in der Gegenwart zu bestehen.
Beeindruckend aber auch die Begegnung mit Josy Sauber, der inzwischen über 90 ist und die Ereignisse damals selbst miterleben musste.

Am nächsten Tag standen dann Gespräche in der Luxemburger Abgeordnetenkammer und mit dem Luxemburger Premierminister auf dem Programm. Mit dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Mars Di Bartolomeo, einem Sozialisten der Luxemburger Sozialistischen Arbeiterpartei, war ich einig, dass die soziale Frage für die Zukunft Europas von entscheidender Bedeutung ist. Wir brauchen eine zukunftssichere Sozial- und Gesundheitsversicherung und wir müssen gegen Lohn- und Steuerdumping in ganz Europa kämpfen. Diese Themen habe ich auch mit Xavier Bettel besprochen, der übrigens, wie ich, auch einer Dreierkoalition vorsteht. In Luxemburg wird sie aus Liberalen, Sozialisten und Grünen gebildet und löste die jahrzehntelange Regierungszeit der Christsozialen Volkspartei ab. Das war ein wirklicher Wendepunkt für Luxemburg und in ihrer Wirkung durchaus mit der Regierungsübernahme von rot-rot-grün in Thüringen vergleichbar. Da gibt es Ähnlichkeiten. Gesprochen haben wir auch über das Thema Integration. Fast die Hälfte der Menschen in Luxemburg haben keinen Luxemburger Pass, jeden Tag pendeln fast 200.000 Menschen aus Belgien, Deutschland und Frankreich nach Luxemburg zur Arbeit, bei einer Einwohnerzahl von knapp 600.000. Trotzdem ist der Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit in Luxemburg bei weitem nicht so stark ausgeprägt wie in Deutschland. Aber natürlich gibt es ihn auch in Luxemburg. Mit Kollegen Bettel habe ich auch darüber gesprochen, wo wir die Beziehungen zwischen Luxemburg und Thüringen vertiefen konnten, denn bisher ist das größte Exportprodukt von Luxemburg nach Thüringen Altpapier, was mich zu Scherzen über Null-Euro-Steuerbescheide für Amazon und Google veranlasste… Da geht mehr. Thematisiert habe ich einen stärkeren Schüleraustausch, aber möglich ist auch eine Kooperation in der Weltraumforschung und natürlich die Verstetigung des kulturellen Austausches.

Ein Erlebnis war danach der Stadtrundgang mit dem Premier. Eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die offenbar viel Sympathie genießt, denn viele Menschen grüßten und ich war beeindruckt, dass der Premierminister sich die Zeit nahm, mir Luxemburg zu zeigen und das ganz ohne Protokoll.

Am Nachmittag des zweiten Besuchstages hatte ich dann die Gelegenheit eine thüringisch-luxemburger Koproduktion eines Kinderfilms zu besuchen. Im Filmland Luxemburg produzieren zwei Unternehmen aus Luxemburg und Thüringen gerade den Kinderfilm „Die Unsichtbaren“, unterstützt auch mit Mitteln der Filmförderung. Ein sehr innovativer Film, über den hier nichts verraten wird aber, was ich sehen kann, macht mich sehr gespannt auf die Premiere.

Am Abend war ich dann zunächst als Gastredner bei der Vertretung der Europäischen Union in Luxemburg und dem Deutschen Verein und habe am Beispiel Thüringens deutlich gemacht, wie erfolgreich die Mittel der Europäischen Union wirken und welchen wichtigen Beitrag sie bei der Entwicklung Thüringens geleistet haben. Bis 2015 sind über 40 Milliarden Euro an europäischen Mitteln nach Ostdeutschland geflossen. Ohne die Solidarität Europas wäre die Transformation längst nicht so gut gelungen. Ich habe betont, dass das eben auch heißt, Solidarität zu erwidern und jetzt dafür zu sorgen, dass etwas Griechenland nicht abgehängt wird. Hier haben wir eine große Verantwortung. Immerhin profitiert Deutschland als Exportland von den Schulden, die die südeuropäischen Länder machen. Hier braucht es einen Ausgleich.

Sehr gefreut habe ich mich über die Einladung der Partei „Dei Lenk“, der luxemburgischen Schwesterpartei der LINKEN. Ich war schon vor ein paar Jahren dort. Damals ging es um den NSU, diesmal habe ich über meine Erfahrungen als Ministerpräsident einer Landesregierung aus LINKEN, SPD und GRÜNEN berichtet, über Erfolge und Herausforderungen. Es gab sehr viele Nachfragen und es war wirklich ein guter Austausch. Natürlich wünsche ich mir, dass die Luxemburger Genossinnen und Genossen gestärkt aus den Parlamentswahlen im Herbst hervorgehen.

Es war also wieder ein inhaltsreicher Arbeitsbesuch, mit vollem Programm aber sehr, sehr spannenden Begegnungen mitten in Europa.