#ZukunftThüringen – Tag 6 – Weimarer Land und Sömmerda – (17. Juli 2017)

Die sechste Station meiner Sommertour führte mich gestern nach Blankenhain, zur Firma „Schaldach Möbelbau + Raum“. Sie ist seit Generationen in den Händen der Familie Schaldach. Nach Gründung durch Horst Schaldach, übernahm 1979 dessen Sohn Wolfram, 2006 dessen Sohn Thomas den Tischlereibetrieb. 2012 ist Schaldach aus der Blankenhainer Innenstadt ins Gewerbegebiet gezogen, um sich zu vergrößern. Mittlerweile ist der neue Standort schon fast wieder zu klein geworden.

Thomas Schaldach geht kurz auf die Firmengeschichte ein und beschreibt dann sehr anschaulich, wie sich die Digitalisierung im Handwerk und konkret auf Kleinunternehmen auswirkt. Schaldach Möbelbau + Raum fertigt und restauriert Möbel, Holztüren und Holzfenster. Wurde früher noch in wenigen Strichen eine grobe Vorstellung des Meisters umgesetzt, so wird heute hochpräzise am PC gezeichnet und 3D-simuliert. Im modernen Handwerksbetrieb entscheiden die Faktoren Qualität, Zeit (eine möglichst kurze Fertigung und Durchlaufzeit) und Kundenbetreuung.
Im modernen Holzbau des Unternehmens begebe ich mich selbst hinter einen Rechner und versuche den „Viba“-Stand der Zukunft zu planen. Bei Schaldach, so erfahre ich, arbeiten drei Tischlermeister und Restauratoren. Sie alle schätzen die Atmosphäre eines mittelständischen Familienunternehmens, gepaart mit dem Willen, nachhaltig zu arbeiten und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. 2015 wurde der Firma der Thüringer Zukunftspreis 2015 in der Kategorie „Nachhaltigkeit“ durch die Handwerkskammer Erfurt verliehen und sie wurde ins Thüringer Nachhaltigkeitsabkommen NAT aufgenommen. In der Werkstatt finden immer wieder Kulturveranstaltungen wie Lesungen oder Harfenkonzerte statt. In der Weihnachtszeit sammelt Schaldach beispielsweise durch Kinderbastelaktionen Geld für die KinderKrebshilfe.

Wir besichtigen die helle Holzwerkstatt. An einem Brett probiere ich aus, wie das Zuschneiden von Holz und das Fräsen von Vertiefungen auf der CNC-Fräse fast vollautomatisch funktioniert. Angesichts der modernen Ausstattung und innovativer Ideen (bspw. ein formschönes, absolut chemie-, metall- und klapperfreies Massivholzbett), verwundert es nicht, dass das Unternehmen 2015 auch mit dem Publikumspreis des Thüringer Innovationspreis ausgezeichnet wurde.

Diesen gab es für „Lina“ – ein mobiles Pflegebett, das Kindern und Jugendlichen mit schweren körperlichen und geistigen Einschränkungen als Lagerstätte dienen soll. Während ein herkömmliches Pflegebett weit über 100 kg wiegt und nicht transportabel ist, ist Lina 45 kg schwer, kann in 1-2 Minuten zusammengebaut werden und in zwei Taschen zu je ca. 20 kg verstaut werden. Lina ist auch kostengünstiger als andere Pflegebetten und dürfte somit eine ziemliche Erleichterung für Eltern schwerkranker Kinder sein. Bislang scheitert seine Aufnahme in den Heil- und Hilfsmittelkatalog noch an bürokratischen Hürden. Ich habe zugesagt, mich darum persönlich zu kümmern.

Hinter der Entwicklung des Bettes stand der „Wunsch, Inklusion zu leben“. Dieser Wunsch findet auch in der Personalpolitik des Betriebs Ausdruck. Nachdem ein Integrationsschüler ein Jahr lang auf den Beruf vorbereitet wurde, wird er im nächsten Monat fest übernommen.

Der Wunsch, Menschen mit Behinderung eine berufliche und gesellschaftliche Zukunftsperspektive zu bieten, ist auch auf der nächsten Station meiner Sommertour spürbar. Ich fahre nach Rastenberg, zur Stiftung Finneck, einer diakonischen Einrichtung, die sich seit fast 100 Jahren für Menschen mit Behinderung einsetzt.

Der Termin beginnt mit einer kurzen Andacht zur Tageslosung „Er wird Frieden gebieten den Völkern“ (Sacharja 9,10). Es wird deutlich, dass die Stiftung Finneck vom Gedanken der christlichen Nächstenliebe getragen wird. Dieser beinhaltet für die Stiftungsmitarbeiter/innen, die Vielfalt des Lebens zu akzeptieren, Toleranz, Gerechtigkeit und Dienst am Nächsten zu üben.

Die Wurzeln der wechselvollen Stiftungsgeschichte, reichen mit der ersten Erwähnung der Haselmühle in Rastenberg bis ins Jahr 1505 zurück. Gegründet wurde die Stiftung aber erst 1918, als der Landesverein für Innere Mission Sachsen-Weimar-Eisenach an der alten Haselmühle ein Kinderheim für tuberkulosegefährdete Kinder eröffnete. Im Laufe der Jahrhunderte war das Haus Bergarbeiterunterkunft, Heilstätte, Internatsschule und Kinderheim. Das Gelände wurde stetig erweitert, um- und ausgebaut.

Heute ist die Stiftung Trägerin der Behindertenhilfe mit über 470 Mitarbeiter/innen. Diese betreuen etwa 1.200 Menschen mit Behinderung in der Finneck-Schule „Maria Martha“, in Kindertagesstätten, Wohnheimen und Außenwohngruppen sowie ambulant und an den Standorten der Werkstätten in Sömmerda und im Kyffhäuserkreis. Schlüssel zum Erfolgt sind die konkrete Arbeit und eine direkte Anknüpfung an die Region und das soziale Umfeld der dörflichen Umgebung. Auf diese Weise wird zum einen Lebensqualität der Menschen mit Behinderung gesteigert, zum anderen ein Multiplikatoreneffekt erzielt, der sich wirtschaftlich über die ganze Region ausdehnt.

Die Stiftung möchte nicht in Form einer „bloßen Beschäftigungstherapie“ betreuen, sondern konkrete Wertschöpfung erzielen, die für alle Beteiligten sinnstiftend ist. Darum soll in der näheren Zukunft die Zusammenarbeit zwischen den Betreuungseinrichtungen und dem Gesundheitswesen verbessert werden, sodass fließende Übergänge von der medizinischen Betreuung in Wohnheime etc. geschaffen werden können. Darüber hinaus will die Stiftung die Zusammenarbeit mit Forschung und Entwicklung stärken und sich stärker in „Joint Ventures“ mit Wirtschaftsunternehmen engagieren, um nicht allein „verlängerte Werkbank“ zu sein.

Dass das vor allem für die Arbeit mit Autist/innen durch diese sinnstiftende Arbeit lebt, wird bei meinem Besuch im Nebengebäude deutlich. Hier stellen Autist/innen in einer Werkstatt Vogelnistkästen her, bauen Hochsitze oder waschen die Wäsche der gesamten Gemeinschaft. Im Garten der „roten Villa“, weiden gerade 4 Alpakas. Die Stiftung verarbeitet ihre Wolle und ihre Milch, setzt die Tiere jedoch vorrangig in der Therapie ein, weil sie sich als besonders ruhige und verlässliche Therapietiere für Autist/innen erwiesen haben. Im großen Garten der Stiftung erlebe ich neben wunderschönem Obst- und Gemüse auch ein wahres Blütenmeer. Menschen mit Behinderung jeden Alters sind eifrig dabei, Blumen zu pflücken. Diese essbaren Blüten aus der Region werden sehr erfolgreich an die lokale Gastronomie und Bioläden verkauft.

So eine erfolgreiche, soziale Arbeit, gepaart mit unternehmerischem Erfolg in der Region macht zuversichtlich. Eine ähnliche Erfolgskombination erlebe ich auf meiner nächsten Station, Schloss Beichlingen, das am südlichen Rande des bewaldeten Höhenzuges „Schmücke“ liegt. Wir fahren über holpriges Pflaster in den Innenhof der imposanten und vielgestaltigen Anlage und werden von Sascha Weise, dem ansässigen Hotelier und Restaurantbetreiber, sowie Vertretern des Fördervereins Schloss Beichlingen e. V. in Empfang genommen.

2014, so erfahre ich, feierte das Schloss das 1000. Jubiläum seiner Ersterwähnung. Damit gehört es zu den am frühesten erwähnten Thüringer Burgen. Zu DDR-Zeiten saß hier lange die „Ingenieursschule für Veterinärmedizin Kurt Neubert“. Danach war das Schloss Teil des großen Pakets der LEG-Burgen, die der Freistaat veräußern wollte. Es wurde noch eine Weile als Außenstelle der Verwaltungsfachhochschule Meiningen genutzt, ist aber seit 2001  in Privatbesitz. Hörsaal- und Mensagebäude blieben seitdem ungenutzt, der historisch wertvolle Teil der Schlossanlage (ca. 12.000 m² „Nutzfläche“) wurde liebevoll restauriert.

In Zusammenarbeit zwischen Förderverein und Gastronomiebetrieb hat man sich hier auf „Eventgastronomie“ für Hochzeitsgesellschaften spezialisiert. Beichlingen ist deutschlandweit dafür bekannt, dass man sich konfessionsunabhängig, auch in der Schlosskirche, einem Kleinod der Spätrenaissance, trauen lassen kann.

Ohne den Förderverein wäre das undenkbar. Seit 1991 kümmern sich Ehrenamtliche um die Präsentation, aber auch die kulturelle Arbeit und die Einbindung von Schlossanlage und Umland in die Umgebung. Der Verein rettete die Schlosskirche zwischen 1991 und 1999 durch umfangreiche Dachreparaturen und Sanierungsarbeiten vor dem Verfall. Er betreut unter anderem die lokale Galerie, Rittersaal und Trausaal, die Ahnengalerie, das gräfliche Schlafzimmer und den Wappensaal sowie den Märchenturm für kleine Besucher/innen. Das Kabinett der Ingenieurschule wurde 2009 für Besucher/innen wieder geöffnet. Hier kann man sich Studienexponate, wie beispielsweise Kuh-Skelette, anschauen. Neben den Hochzeitsgesellschaften kommen ca. 2000 Besucher/innen im Jahr nach Beichlingen.

Seit kurzem werden hier „Rätselveranstaltungen“ angeboten, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Gleichzeitig werden Konzepte für altersgerechtes bzw. barrierefreies Wohnen auf der Burg entwickelt. „Wir sind immer auf der Suche nach verrückten Ideen und neuen Nutzungskonzepten, um das Schloss kulturtouristisch weiter zu erschließen.“, versichert mir Herr Weise.

Etappe 6 der #ZukunftThüringen-Tour zeigt mir wieder, wie vielfältig und offen mein Bundesland ist. Ich bin dankbar für diese Begegnungen und Erfolgsgeschichten.