#ZukunftThüringen – Tag 11 – Jena – (26. Juli 2017)

Auch am vorletzten Tag meiner Sommertour bestimmt der Regen das Geschehen im Land. Regelmäßig lasse ich mich über die Situation unterrichten. Besonders kritisch ist es im Harz. Kleinere Flüsse treten über die Ufer, ein Kalksandsteinwerk steht unter Wasser. Aber die Schäden sind überschaubar und der Regen hält uns zwar in Atem, für die ausgetrockneten Wälder ist er aber ein Segen. Mein Dank gilt all jenen, die in den letzten Tagen bei Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten und den öffentlichen Einrichtungen mit hohem Einsatz daran gearbeitet haben. Schäden zu vermeiden oder in Grenzen zu halten und natürlich denke ich auch an die Betroffenen in diesen Stunden.

Mein Ziel aber ist Jena. Jena ist in Thüringen in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme. Jena wächst, in Jena leben überdurchschnittlich viel junge Menschen aber das bringt auch Herausforderungen. Durch die Tallage von Jena, sind die Möglichkeiten beschränkt, Wohnraum wird knapp und auch an Kindergärten und Schulen wird es eng. Aber die Sorgen wachsender Städte nehme ich gern an. Immerhin hat Jena inzwischen die höchste Forscherdichte in Deutschland.

Eines dieser wachsenden Unternehmen, die Alere Technologies GmbH, ist mein erstes Ziel. 1998 wurde das Unternehmen noch unter anderem Namen gegründet, seit 2006 ist es Tochter von Alere Inc. USA und demnächst wird Alere von Abbott, einem weltweit tätigen Gesundheitsunternehmen übernommen. Alere ist gehört zu den führenden Anbietern in der Welt von patientennaher Diagnostik. Dabei geht es darum, etwa im Bereich der HIV-Infektion schnell und vor Ort die Virenlast zu ermitteln, um so schnell eine passgenaue Therapie zu beginnen. Dieses Verfahren lässt sich auch bei anderen Infektionskrankheiten anwenden. Derzeit ist Afrika der größte Absatzmarkt von Alere aber jetzt soll auch der Rest der Welt in den Blick genommen werden. Dann kann der Umsatz von derzeit 2,3 Mrd. Euro noch deutlich gesteigert werden. Auch in modernen Industriestaaten kann patientennahe Diagnostik helfen, schneller in die Behandlung einzusteigen und dadurch Zeit und letztlich auch Kosten zu sparen. Ich bin sehr beeindruckt von der Innovationsstärke dieses Unternehmens, dass auch mehrfach mit Preisen gewürdigt wurde. Eine stärke Marktposition für die Produkte von Alere zu erreichen, dem dient eben auch die Übernahme durch Abbott.

Aber auch für etwas anderes steht das Unternehmen, nämlich für soziale Verantwortung im besten Sinne. Ich bin beim Rundgang überrascht, wieviel einfache Tätigkeiten noch ausgeführt werden müssen, diese aber mit hoher Genauigkeit und Präzision. Hier bekamen auch ca. 50 Geflüchtete eine Chance. Ohnehin stellt das Unternehmen jährlich fast 100 neue Mitarbeiter/-innen ein. Eine beeindruckende Zahl. Dafür, so sagt der Personalleiter von Alere, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. So zahlt das Unternehmen die Gebühren für die Kindergartenbetreuung der Kinder der Mitarbeiter/-innen und noch etwas ist besonders: Alle Beschäftigten bekommen jährlich einen bezahlten Tag, um sich freiwillig zu engagieren, ob in der Geflüchtetenhilfe, in Vereinen, als Ferienbetreuung.

Natürlich spielen auch andere Themen eine Rolle. Auch bei Alere werde ich auf die Anbindung von Jena an den Schienenverkehr angesprochen. Ich kann berichten, dass die Finanzierung des Franken-Expresses ab dem Fahrplanwechsel 2018/19 gesichert ist, derzeit noch Baustellen die gute Anbindung verhindern. Ab 2023 folgt die moderne IC-Doppelstockzuganbindung und nicht zuletzt wird auch der Ausbau der Mitte-Deutschland-Verbindung Jena helfen, denn ich weiß um die Bedeutung dieses Faktors.

Seit nunmehr 11 Jahren gibt es in Jena den Circus „MoMoLo“ und damit ein echtes Paradies für Kinder und Jugendliche. Voller Stolz berichtet mir das Team von der Entwicklung der letzten elf Jahre. Es begann mit einem Kind und ein wenig Frust. Heute werden jährlich bis zu 800 Kinder und Jugendliche von inzwischen 8 Mitarbeiter/-innen und vielen Freiwilligen betreut. Es ist ein echtes Mitmachprojekt, alle können mitmachen. MoMoLo will die Zirkuskultur in Thüringen wieder beleben und einen neuen Zirkus etablieren, der Geschichten erzählt und sich auf die Gesellschaft um ihn herum bezieht. Auch deshalb ist es für MoMoLo selbstverständlich, sich für Geflüchtete einzusetzen, auch, in dem der Verein versucht, einer Roma-Familie eine dauerhafte Perspektive zu bieten. Aber auch die Kooperation mit einem palästinensischen Zirkus ist dafür ein Beispiel, der Themen nach Thüringen bringt, die für viele Kinder und Jugendliche ganz neu sind: Wasserknappheit etwa.

Natürlich steht die Bewegung, die Freude an der Show, am sich ausprobieren im Mittelpunkt und so erlebe ich im Zirkuszelt eine quicklebendige Kinderschar, die mir gleich zeigt, was sie gelernt hat. Und irgendwann stehe auch ich auf dem Trapez und lasse mich mal so richtig hängen. Leider darf ich das nicht jeden Tag…

Mit dem Besuch des nächsten Unternehmens schließt sich wieder die Klammer. Die Stadtwerke Jena Gruppe gehören genauso wie die Alere GmbH zu jenen, die die Arbeit von MoMoLo aktiv unterstützen. In diesem Fall ist es ein öffentliches Unternehmen, das zu 75% den Städten Jena und Pößneck gehört und im besten Sinne öffentliche Daseinsvorsorge betreibt. Dabei kümmern sich die Stadtwerke um die ganz klassischen Betätigungsfelder kommunaler Unternehmen: Wohnen, ÖPNV, Strom, Gas, Wasser und Abwasser. Daneben werden auch die Freibäder und Schwimmhallen Jenas durch die Stadtwerke betreut aber auch ein Hausmeisterservice gehört zum Portfolio. Genau aus diesem Grund ist unsere Diskussion auch sehr komplex: Es geht um die Energiewende, genau wie um die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs in Thüringen und die ausreichende Versorgung mit Wohnraum. Alles Themen, denen sich auch die Landesregierung widmet. Für mich sind die Stadtwerke dabei ganz wichtige Partner, die alle politische Unterstützung verdient haben. Natürlich geht nicht alles gleich und sofort, manches wird auch noch warten müssen aber ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind.

Die Stadtwerke Jena sind aber nicht nur auf den klassischen Feldern unterwegs. Auch das Thema Elektromobilität wird durch die Stadtwerke begleitet und vieles im Bereich Sport und Kultur wäre ohne das Engagement der Stadtwerke nicht denkbar, ob es die Jenaer Philharmonie oder die Basketballer von Science Jena sind.

Wieder ein spannender Sommertour Tag, der sich mit vielen Themen befasste, die für #ZukunftThüringen stehen.

Mein Tag geht aber mit einem Besuch einer Bürgerversammlung zu Ende, der mich eher in die dunkelste Vergangenheit unseres Landes führt. In Themar treffen sich über 200 Menschen mit dem Bürgermeister Hubert Böse aus Thema, dem Landrat des Kreises Hildburghausen Thomas Müller, Landtagsabgeordneten, Vertretern der Polizei und Vertretern der Zivilgesellschaft, etwa des örtlichen Kirchenkreises, des IDZ Jena oder auch von Mobit.

Sie alle eint die Wut darüber, dass eines der größten Rechtsrockkonzerte in Thüringen am 15. Juli 2017 nicht zu verhindern war. Der Landrat ist in die juristische Auseinandersetzung gegangen, weil er wie ich der Auffassung ist, dass das, was da in Themar stattfand nicht mehr dem Versammlungsrecht unterliegt, sondern den Charakter einer kommerziellen Veranstaltung trägt. Die Gerichte haben anders entschieden und trotzdem gilt in diesem Punkt mein Respekt und meine Solidarität dem Landrat. Noch mehr gilt sie aber den Menschen in Themar und Südtthüringen, allen voran dem Bürgermeister von Themar, die sich wehren und die deutlich machen, dass sie nicht zum Aufmarsch- und Feiergebiet von Alt- und Neunazis der übelsten Sorte aus ganz Europa werden wollen und die sich mit Kreativität und viel Mut in den Weg stellen. Und sie haben Fragen, berechtigte Fragen nach dem Sicherheitskonzept, der Verfolgung von Straftaten und der Verantwortung für all das, was um die Rechtsrockkonzerte in Thüringen passiert ist. Ich finde es richtig, dass Behörden, Polizei und Politik sich diesen Ängsten und Fragen aktiv und transparent stellen und mir macht Mut, dass dieser Dialog sehr sachlich abläuft, trotz kontroverser und unterschiedlicher Positionen. Ich glaube, dass so auch Verständnis füreinander wachsen kann. Denn alle am gestrigen Abend waren sich einig: Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der historischen Verantwortung für den Holocaust müssen wir dem braunen Ungeist entgegentreten.

Deshalb war es mir wichtig, meine Solidarität mit den Menschen in Themar zu zeigen und ihnen zu sagen, dass sich ihre Arbeit und ihr Widerstand lohnt und dass es wichtig ist, über Ängste und Wut zu reden. Ich habe noch mal klar gesagt, dass die Landesregierung prüfen wird, ob wir Präzisierungen im Versammlungsrecht brauchen, um die zuständigen Behörden bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

Am Samstag, dem 29. Juli 2017 findet wieder ein Rechtsrockkonzert in Themar statt. Es wäre schön, wenn sich viele Thüringerinnen und Thüringer auf den Weg nach Themar machen und die Menschen dort in ihrem Widerstand unterstützen.

Ich erinnere aber auch an kreative Widerstandsformen, die alle einbeziehen. „Kein Kölsch für Nazis“, hieß eine Aktion von Wirten in Köln, Unternehmen verweigern das Vermieten von Zelten und Equipment, Hotels verweigern Nazis die Betten. Vieles ist möglich…

Eine Idee am gestrigen Abend hat mir besonders gut gefallen. Im Sommer 2018 einen Sommer der Solidarität zu organisieren. Ich würde mich freuen, wenn es dazu käme.