#ZukunftThüringen – Tag 10 – Gera – (25. Juli 2017)

LoDer Sommer macht gerade Pause. Am zehnten Tag meiner Tour begrüßt mich am Morgen Dauerregen. Ich bin in Sorge, was auf Thüringen zukommt. Meine Gedanken sind bei den Betroffenen, die gerade unruhige Zeiten haben, ob sich die Hochwasserlage zuspitzt oder die vielleicht schon betroffen sind aber auch bei den Vielen von Polizei, THW und Rettungsdiensten, die schon jetzt im Einsatz sind. Ich lasse mir regelmäßig berichten, wie die Lage aktuell ist.

Es geht nach Gera, genauer gesagt in die Hochschulstadt Gera, denn mein erstes Etappenziel ist die jüngste Hochschule in Thüringen, die Duale Hochschule Gera-Eisenach. Schon seit 1998 gibt es die Einrichtung, gegründet wurde sie als Berufsakademie Thüringen und war schon immer eine duale Einrichtung, in der Ausbildung und Unternehmen eng miteinander verknüpft wurden und werden. Immer wieder gab es aber Schwierigkeiten mit der Anerkennung von Abschlüssen und so entschied die Thüringer Landesregierung im September 2016 die Umwandlung zur Dualen Hochschule Gera-Eisenach. Schon jetzt lässt sich sagen: mit vollem Erfolg! 1.270 Studierende hat die Hochschule derzeit in den Bereichen Technik, Wirtschaft und Sozialwissenschaften, jedes Jahr kommen 500 neue hinzu. Voraussetzung für das Studium ist, dass die oder der Studierende einen Praxispartner hat. Deshalb gibt es eben auch inzwischen 1.600 Unternehmen, Kommunen, soziale Einrichtungen, die ihre Fachkräfte in Gera und Eisenach ausbilden lassen. Faktisch wird hier das deutsche Erfolgsmodell der dualen Berufsausbildung an einer Hochschule fortgesetzt.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Studierenden erhalten eine Ausbildungsvergütung und können sich so voll auf das Studium konzentrieren, 80% schließen das Studium ab und über 90% aller Absolventinnen und Absolventen kennen bereits vor dem Abschluss des Studiums den künftigen Arbeitgeber. Die wiederum können passgenau für ihr Unternehmen Fachkräfte ausbilden lassen und investieren in die Zukunft des eigenen Unternehmens. In den heutigen Zeiten entscheiden über den wirtschaftlichen Erfolg. Und die Hochschule könnte weit mehr Menschen ausbilden, der Bedarf ist da. Es fehlt aber an Kapazitäten für die Lehre. Da hilft der Status als Hochschule, weil dadurch nun auch Mittel aus dem Hochschulpakt 2020 abgerufen werden können. Gefordert wird auch hier, dass wir mit der Berufsorientierung intensiver an die Schulen gehen, auch an die Gymnasien.

Interessant für mich ist die Kooperation der Hochschule mit öffentlichen Verwaltungen, insbesondere im Bereich Finanzen und IT. Von der elektronischen Erledigungen von Bürgeranliegen, über die E-Akte bis hin zur Unterstützung der doppischen Haushaltsführung in den Kommunen gibt es da viele Themen. #ZukunftThüringen eben.

Aber was wäre meine Sommertour ohne wenigstens ein Schloss, das auf einer Etappe liegt. Schloss Tinz liegt mitten auf dem Hochschulgelände und wird derzeit saniert und soll ab 2018 als Bibliothek der Hochschule dienen. Zudem wird doch ein Dokumenten-Management-System-Labor seinen Platz finden. Vielleicht erlebe ich es doch noch, dass künftig der elektronische Aktenordner auf meinem Tablet die Aktenberge auf meinem Schreibtisch ersetzt…

Weiter geht es an einen Ort, wo Papier die Hauptrolle spielt und das aus gutem Grund. Ich bin zu Gast bei der Stadt- und Regionalbibliothek (SRB) Gera. Ich werde empfangen von den Mitarbeiterinnen der Bibliothek und Mitgliedern des Vereins „Buch und Leser e.V.“ und lasse mich darüber informieren, welche Rolle Bibliotheken in den Kommunen und auch in Gera spielen. Eine bedeutende, so erfahre ich. Lange schien es so, als seien öffentliche Bibliotheken in kommunaler Trägerschaft ein Auslaufmodell. Die Zahlen von Nutzern und Ausleihern gingen stetig zurück. Ab 2009 begann die sich zu wandeln. Weg vom reinen Ausleihort, hin zum kulturellen, multimedialen Treffpunkt. Neben Büchern lassen sich auch DVD, Spiele, Spielkonsolen, aber auch Schallplatten und Bilder ausleihen. In der Bibliothek kann man verweilen. Jede Menge Veranstaltungen organisiert das kleine, ungemein engagierte Team der Bibliothek, so etwa jeden Samstag ein halbe Stunde, in der Ehrenamtliche für Kinder lesen. Inzwischen ist das ein echter Publikumsmagnet. Frau Ebert, die Leiterin des Benutzerservices bringt es für mich auf den Punkt: „Früher waren Bibliotheken eher ein Ort der Stille, heute sind sie lebendige Kulturzentren!“. Recht hat sie. Menschen bei ihren Nutzerverhalten abholen, ihnen Kompetenzen vermitteln, gerade auch Kindern und Jugendliche, das macht Bibliotheken heute auch zu Lernorten. Hier wird das Smartphone nicht verdammt, sondern als Vehikel benutzt, um wieder Interesse an Büchern zu wecken.

Und vor kurzem wurden die Benutzungsgebühren für Kinder und Jugendliche bis 18 abgeschafft. Toll!

Ich bin sehr beeindruckt was hier gemeinsam mit dem Förderverein geleistet wird, ohne den, manches nicht möglich wäre, denn die Haushaltslage der Stadt Gera lässt eben vieles nicht zu, was wünschbar ist. Auch ich will überlegen, wie ich der SRB bei der Anschaffung eines I-pad-Koffers helfen kann.

Ja #ZukunftThüringen braucht auch solide Haushalte und Menschen, die sich darum kümmern, dass die öffentlichen Haushalte mit Steuereinnahmen gefüllt werden. Deswegen war es mir auch wichtig mal ein Finanzamt zu besuchen. Allein im Bereich des Finanzamtes Gera wurde 2016 über eine halbe Milliarde Euro an Steuern vereinnahmt. Eine beeindruckende Zahl. Über 300 Menschen arbeiten im Finanzamt Gera in 19 Sachgebieten und kümmern sich um alle Themen im Bereich Steuern von der normalen Einkommensteuer, über Umsatzsteuer bis hin zu Vollstreckung und Steuerfahndung. Als ich erzähle, dass ich jedes Jahr persönlich meine Steuererklärung in meinem Erfurter Finanzamt abgebe, auch, weil ich damit einen Prozess der inneren Unruhe abschließe, denn wer macht schon gern seine Steuererklärung, lerne ich, dass inzwischen fast 70% aller Thüringerinnen und Thüringer ihre Steuererklärung elektronisch abgeben. So sehr ich sonst für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung werbe, so sehr grault mir ein wenig vor dem Jahr, an dem es mir vielleicht nicht mehr möglich ist, meine Steuererklärung selbst abzugeben.

Von den Kolleginnen und Kollegen lasse ich mir die komplexen Vorgänge in einem Finanzamt erläutern. Ich lerne hoch spezialisierte, bestens ausgebildete Menschen kennen und wer wirklich einen tollen Beruf lernen will, sollte überlegen, ob sie oder er nicht in die Finanzverwaltung will. Nachwuchs wird gesucht!

Auf dem Weg zu meinem letzten Etappenziel erfahre ich die Größe der Hochschulstadt. Gerade noch mitten in der Stadt geht es jetzt nach Aga, einem Ortsteil von Gera, der seit 1994 zu Gera gehört und im besten Sinne ländlich geprägt ist. In Aga befindet sich der Biohof Aga mit dem modernsten Biogewächshaus Europas. Hier hat die Lebenshilfe eine Möglichkeit geschaffen, Menschen in Arbeit zu integrieren, die bei der Bewältigung ihres Alltags Hilfe benötigen. Angebaut werden hier Gurken, Tomaten, Auberginen aber auch Salat. Erwerben kann man hier Bio-Eier und im Gewächshaus leben Wachteln, um die Raupen von den Gurken zu halten. Die Menschen, die hier arbeiten sind froh, dass sie eine solche Beschäftigung gefunden haben. Nichts ist hier zu spüren von einer klassischen Werkstatt und mit Recht wird mir die Frage gestellt, ob die Werkstätten noch zeitgemäß sind und es nicht auch im Bereich des Arbeitsmarktes viel mehr Inklusion geben müsste. Und ja, ich finde, die Menschen, die hier arbeiten und einen Mehrwert schaffen, haben es verdient, dafür ordentlich entlohnt und nicht mit einem Almosen abgespeist zu werden. Hier muss noch viel getan werden und ich werde auch auf der Bundesebene dafür streiten, dass wir hier vorankommen und Inklusion fördern, auch und gerade im Bereich des ersten Arbeitsmarktes.

Wieder ein Tag voller Eindrücke, der mich fast vergessen ließ, dass der Sommer in Thüringen gerade Pause macht. Die #ZukunftThüringen wird das aber nicht aufhalten.