Von der Kultur des twitterns

Seit 2009 bin ich aktiver Twitterer. Ich schätze die Möglichkeit, schnell und aktuell, Ereignisse zu kommentieren, meine Follower zu informieren und ja, mich auch in der Sache auseinanderzusetzen. Auch Journalisten nutzen Twitter inzwischen als Medium, sich u.a. über Positionen von Politikern zu informieren. Sehr oft finden sich Zitate dann direkt in Printmedien, TV oder Radio wider. Es ist, wie so oft im Leben, ein Geben und Nehmen.

Natürlich wird es besonders spannend, wenn es zu direkten Diskussionen auf Twitter kommt. Nun ist das auf 140 Zeichen nicht so leicht, denn die hohe Kunst ist, sein Argument kurz, prägnant und zugespitzt zu formulieren. Feinheiten und Details gehen dabei zwangsläufig unter. Twitter taugt hierfür nicht. Ja, ich mag diese Diskussionen. Ich führe sie, wie meine gesamten Aktivitäten auf Twitter und Facebook als Privatperson Bodo Ramelow. Ich tue das, weil mir bewusst ist, dass ein Ministerpräsident immer sein Land repräsentiert, die Landesregierung und die sie tragenden Parteien. Da wäre ab und an Kürze und Weglassen fatal, da ist vielmehr das Detail entscheidend. Deswegen twittert die Thüringer Staatskanzlei und hat auch einen eigenen Facebookauftritt. Zu dieser Unterscheidung wurde ich auch ganz klar und eindeutig vom Landesverfassungsgericht verpflichtet. Äußerungen als Ministerpräsident und für die Landesregierung erfolgen immer über dienstliche Verlautbarungen und offizielle Portale, bzw. über Presseerklärungen der Staatskanzlei oder Regierungsmedienkonferenzen. Persönliche Meinungsäußerung sind immer zulässig, müssen aber auch über private Kanäle laufen. Mein Twitter und Facebook Account oder diese Homepage und das Tagebuch sind klar als private Meinungsäußerungen zu erkennen. So kann ich es mir wiederum erlauben, nicht immer jedes Wort und jedes Zeichen auf die Goldwaage legen zu müssen. Aber es gibt für mich ein Prinzip bei allem was ich tue:
Respektiere dein Gegenüber, nimm ihn ernst als Mensch. Für Beleidigungen und abschätzige Bemerkungen ist da kein Raum!

Wer meint, das tun zu müssen, mit dem setze ich mich in der Tat nicht auseinander. Wer mir unterstellt, ich ginge Debatten aus dem Weg und würde eher sofort blocken oder löschen, der nimmt eben nicht wahr, was einige unter Debatte und Diskurs verstehen. Beschimpfungen, Rassismus und Menschenfeindlichkeit haben für mich nichts mit Diskussion zu tun und ich möchte von ihnen auch nicht „verfolgt und belästigt oder „gestalkt“ werden, weder real, noch im Netz. Jede und jeder kann etwa bei mir auf Facebook sehen, dass ich durchaus Freude an Debatten habe, auch an kritischen, weil mir daran liegt, auch zu erklären, warum ich bestimmte Entscheidungen getroffen habe. Es mag damit zusammenhängen, dass ich in der LINKEN bin aber niemand wird mir ernsthaft vorwerfen können, ich sei nicht bemüht, gerade kritische Entscheidungen nicht zu erläutern: Ob zum Fernbleiben beim Treffen mit der Kanzlerin, zur Maut, zur Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform oder der Infrastrukturgesellschaft zu all diesen Themen sind meine Motive auf meinem Tagebuch nachlesbar. Dort habe ich den Raum sehr ausführlich zu erklären und ich weiß, dass viele Menschen genau das schätzen.

Auch weiß jede und jeder, der mir eine E-Mail oder einen Brief schreibt, dass er eine freundliche Antwort erhält und dass wir uns in der Thüringer Staatskanzlei sehr bemühen, auch zu helfen, wenn wir können. Aber auch hier gilt: Wer sich einfach mal nur Luft machen will und erkennbar gar nicht an einer sachlichen Antwort interessiert ist, der wird auch nicht mit einer belästigt.
Es ist so eine Sache mit der Sprache. Spätestens seit Viktor Klemperers „LTI – Lingua Tertii Imperii“ der Sprache des Dritten Reiches aus dem Jahre 1947 sind wir alle aufgerufen, sensibel mit Worten umzugehen. Auch ich bin nicht frei davon, mal über die Stränge zu schlagen. Menschen sind emotional, sie haben gute und schlechte Tage. Nach einem langen, anstrengenden Tag reagiere ich sicher anders auf Kritik als nach einer entspannten Wanderung. Nur ein Ausbruch, das sich Vergreifen im Ton ist etwas deutlich anderes als das bewusste Führen einer Kampagne. Meine Kritik an der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag ist ja nicht, dass sie meine Politik nicht toll findet oder mich politisch angreift. Das ist ihre Funktion! Ich finde aber, dass das auch getan werden kann, ohne Herabwürdigung. Und ich empfinde #BODOamBoden als eine solche! Das ist für mich der Punkt. Im übrigen sei hier nur sachlich angemerkt, dass ich den Hashtag #mikeohneanstand genau zweimal benutzt habe und nicht wie in einem Kommentar der „TLZ“ zu lesen war, seit einigen Tagen. Das erfolgte im Konjunktiv. „Wenn Ihr das nicht unterlasst, dann benutze ich #mikeohneanstand als Reaktion darauf. Herr Mohring ist der Vorgesetzte und damit der Verantwortliche auch für das Socialmedia-Team. Und auch die „TA“ hatte ja die Auseinandersetzung aufgegriffen.
Ich werbe dafür, dass die demokratischen Parteien hart in der Sache streiten aber dass wir darauf achten, dass wir bei aller Emotionalität, bei aller Zuspitzung den kulturvollen Streit miteinander pflegen. Auch ich selbst werde mehr darauf achten! Warum sage ich das. Wir und damit meine ich CDU, LINKE, SPD und GRÜNE müssen in jeder Landtagssitzung erleben, wie die AfD demokratische Institutionen missachtet. Sie beleidigt Abgeordnete, Parteien, die Regierung, sie missbraucht parlamentarische Verfahren und sie pflegt die politische Unkultur. Wenn wir uns als demokratische Parteien davon abheben wollen, dann eben auch in der Form der Auseinandersetzung.
Das ist im übrigen auch der Grund, weshalb ich den Account der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag inzwischen entblockt habe. Meine Reaktion auf diese fortgesetzte Respektlosigkeit war ein Fehler, den ich korrigiere.
Nun hält Socialmedia-Team der CDU Fraktion mir einen Tweet vor, in dem ich angeblich Polizisten beleidigt haben soll. Offenbar hat sie völlig vergessen, dass dieser Konflikt mit dem Socialmedia-Team der Landtagsfraktion der LINKEN zusammenhing, Herr Mohring forderte damals Konsequenzen von der Fraktionsvorsitzenden Hennig-Wellsow. Ich war weder für das Foto noch für dessen Verbreitung verantwortlich. Jetzt lässt Herr Mohring in der „TLZ“ wissen, er sei für sein Socialmedia-Team ja überhaupt nicht verantwortlich. Nun ist es an mir darüber erstaunt zu sein. Offensichtlich gibt es da doppelte Standards, an die ich mich nicht gewöhnen kann oder will. Was man lauthals von anderen fordert, müsste für sich selber jedenfalls immer gelten. 
Ich respektiere den Oppositionsführer im Thüringer Landtag und weiß um seine Bedeutung für die parlamentarische Demokratie. Ich finde, wir hatten in der Vergangenheit sehr oft, sehr zugespitzte, ernste Diskurse im Parlament und auch außerhalb. Ich hoffe nur immer noch um persönlichen Respekt und ein Mindestmaß an Umgangsformen. Bislang habe ich geglaubt, dass ich es daran gegenüber meinen Vorgängern im Amt aus der CDU nicht habe fehlen lassen. 
Eine gepflegte Kultur der Auseinandersetzung ist wichtig für jede lebendige Demokratie aber sie sollte Verletzungen vermeiden und wenn sie passieren, sollten wir uns alle gegenseitig eingestehen können, dass sie passiert sind.
In der Tat: Twitter und Facebook sind für mich wichtige Kommunikationsmittel, die ich nicht missen möchte und auf die ich nicht verzichten werde. Aber ich will durchaus mehr Augenmerk darauf richten, sensibler im Sprachgebrauch zu sein dabei, denn wie schrieb Klemperer:
„Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie
werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine
Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die
Giftwirkung doch da.“
Eine solche Wirkung aber wäre fatal für unsere Demokratie und würde jenen in die Hände spielen, denen an einer demokratischen Gesellschaft nicht gelegen ist. Das dürfen wir alle miteinander nicht zulassen.