Von Fakten und Mythen

Manchmal (ab und an auch gänzlich überraschend) rückt der Bundesrat in den Mittelpunkt des medialen und öffentlichen Interesses. So war es auch am vergangenen Freitag, als es unter Tagesordnungspunkt 70a um das sogenannte Infrastrukturabgabegesetz ging.

Um das was dort vermeintlich beraten und beschlossen wurde, ranken sich nun viele Mythen, bei denen die Fakten leider völlig unter den Tisch fallen.

Ich werbe aber dafür, dass wir zunächst die Fakten klarhaben, bevor wir in die Debatte eintreten, welche Entscheidung die richtige gewesen wäre.

Gemäß Artikel 50 des Grundgesetzes wirken die Länder über den Bundesrat bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Die Länder sind also über den Bundesrat an der Gesetzgebung beteiligt. Dabei wird zwischen zustimmungsbedürftigen Gesetzen und sogenannten Einspruchsgesetzen unterschieden. Ich will hier keine staatsrechtliche Abhandlung verfassen aber im ersteren Fall kommt ein Gesetz eben nur zustande, wenn auch der Bundesrat das Gesetz beschließt, im zweiten Fall kann der Bundesrat zwar Einspruch einlegen aber letztlich kann der Bundestag den Bundesrat überstimmen.

Warum lege ich darauf so viel Wert? Das in Rede stehende Gesetz zur „PKW-Maut“ ist genau ein solches Einspruchsgesetz. Und deshalb liegt letztlich die Entscheidung über das „JA“ oder „NEIN“ auch nicht beim Bundesrat, sondern bei der Großen Koalition im Bundestag. Mir ist das deshalb wichtig, weil auch bei der Frage, wem nun der schwarze Peter zugeschoben werden soll, wir die Fakten sprechen lassen.

Offenbar braucht es aber in Zeiten alternativer Fakten auch gar keine Fakten mehr.

Am Freitag, dem 31.3.2017 stand im Bundesrat keine Abstimmung auf der Tagesordnung, bei der ich hätte „Nein zur Maut“ sagen können!

Man spekuliert hier über ein „Ja“ zur Anrufung des Vermittlungsausschusses und dieses „Ja“ wäre nun mal kein „Nein zur Maut“ geworden. Es wäre möglicherweise ein „Ja“ zur Mautbefreiung im grenznahen Bereich geworden.  Die einen kritisieren mich nun, weil ich nicht „Nein“ zur Anrufung des Vermittlungsausschusses (VA) gesagt habe und die anderen, weil ich nicht „Nein zur Maut“ mit einem „Ja“ zur Anrufung des VA gesagt habe. Mal ganz ehrlich – was nicht zur Abstimmung steht, kann ich mir auch nicht herbeizaubern.

Ich bin gegen die Benachteiligung des Schienenpersonennahverkehrs und aller Eisenbahnverkehre – weil diese schon immer die Kosten der nötigen Infrastrukturmaßnahmen erwirtschaften müssen, weil sie durch Stromkosten und EEG-Umlage benachteiligt werden. Fernbusse kanibalisieren die Eisenbahn durch Niedriglöhne. zahlen keine Maut und werben mit Billigangeboten.

Genau deshalb bin ich gegen solche Ungleichbehandlungen und sehe es als Fehler im System. Auch bin ich strikt gegen die Privatisierung von öffentlichem Eigentum. Weder Bahn, noch Strom oder Autobahnen dürfen privatisiert werden. Die Höchstspannungsnetze gehören zurück in öffentliches Eigentum. Die Bahn muss zu einem preiswerten und ökologischen Verkehrsträger zurück (oder weiter-) entwickelt werden. Fernbusse müssen zu einer fairen Ergänzung der Eisenbahn werden und nicht der billige Jakob, der die Tarifverträge der Bahnbeschäftigten erodieren lässt.

Und ja, ich bin für eine Europäische Entscheidung zur Maut. Denn wir reden hier über europäische Dimensionen Jedenfalls würde ich gerne meine Schwiegermutter besuchen können, ohne für 10 km bei Bregenz (Österreich), dann quer durch die Schweiz und alle Kilometer in Italien jeweils extra bezahlen zu müssen. Wenn also Österreich in Sachen Maut klagt, dann bekommen wir hoffentlich bald Klarheit, welche Standards in Europa in dieser Frage gelten soll.

Wer mir also Verrat an linken Prinzipien vorwirft, den bitte ich doch dringend, mir das an Fakten zu belegen. Ich will nur darauf hinweisen, dass die Kanzlerin lange die Maut als den falschen Weg abgelehnt und die SPD immer kräftig gegen die Maut getrommelt hat. Zu den Fakten gehört aber auch, dass CDU und SPD letztlich der CSU nachgegeben und der Maut im Bundestag zugestimmt haben. Und wenn Frau Löhrmann von den GRÜNEN in NRW laut ruft: „Haltet den Dieb“, behauptet, dass alle GRÜNEN einig gewesen seien, dann frage ich mich verwundert, ober Herr Kretschmann die Partei gewechselt hat, denn auch Baden Württemberg hat sich bei der Anrufung des Vermittlungsausschusses enthalten. Im Gegensatz zu Thüringen aber gibt es in Baden Württemberg die grenznahen Regionen, um die es am Ende noch ging.

Ein „Ja“ am Freitag, um 10 oder 20 km im grenznahen Bereich mautfrei zu gestalten, hätte die Fehlentwicklungen nur erhöht. Und da muss ich auch die Grünen in NRW um mehr Ehrlichkeit in der Debatte bitten.

Und ja, es ist richtig, dass ich am Freitagmorgen nach Vermittlung durch Ministerin Heike Taubert und Minister Prof. Dr. Hoff ein Telefongespräch mit Bundesverkehrsminister Dobrindt über die Frage hatte, wie wir bei der Elektrifizierung der Mitte-Deutschland-Verbindung  (MDV) endlich vorankommen. Bereits im jetzigen Haushalt hat Thüringen für die Planungen 30 Millionen Euro eingestellt und durchgesetzt, dass dieses Projekt im Bundesverkehrswegeplan priorisiert wird. Dabei geht es im Gegensatz zur Maut um ein ökologisch sinnvolles Projekt, dessen Umsetzung übrigens seit über 20 Jahren fordern (wie auf dem Aufkleber zu sehen ist).

Aber solche Projekte brauchen viel Geduld und Durchsetzungskraft und viele Menschen sind nötig, sie zum Erfolg zu führen.

Da sind Carsten Schneider (MdB/SPD), Ralph Lenkert (MdB/LINKE) und Gudrun Lukin (MdL/LINKE) zu nennen, die sich beharrlich und immer wieder dafür stark gemacht haben, dass es beim Thema „Elektrifizierung MDV“ endlich konkret vorangeht. Aber auch der heutige Staatssekretär Olaf Möller (Grüne) der vor 20 Jahren mit dem Aufkleber die Elektrifizierung und den Ausbau der MDV gefordert hat.

Unsere Infrastrukturministerin Birgit Keller kämpft seit ihrem Amtsantritt ebenfalls dafür, dass die Mittel endlich bereitgestellt werden.

Und neben dem Gespräch mit Herrn Dobrindt am Freitag, das letztlich eine Fortsetzung vieler Gespräche war, hatte ich in meinem Glückwunschschreiben an den neuen Bahnchef Richard Lutz auch auf das Thema MDV hingewiesen, dass für die Entwicklung von Ostthüringen und Teilen Sachsen eine immense Bedeutung hat.

Und ich will auch das Agieren meiner Stellvertreterin und Finanzministerin Heike Taubert erwähnen, die am Ende mit Carsten Schneider gemeinsam die Entwicklung befördern und auf den Weg bringen konnte, über die wir uns jetzt freuen können. r2g steht also in dieser Frage sehr geschlossen, denn für uns geht es darum, dass der Ostthüringer Raum nicht vom Fernverkehr abgekoppelt wird. Für das Wissenschafts- und Forschungszentrum Jena ist eine gute Anbindung an die Eisenbahn von existenzieller Bedeutung. Und die Stärkung der Verkehrsachsen Weimar – Jena – Gera und Saalfeld – Jena – Leipzig stärkt die gesamte Region.

Das sind die Fakten. Über die rede und streite ich gern aber nicht über Mythen und Halbwahrheiten, die zum Dogma erhoben werden. Ich will an dieser Stelle auch noch mal daran erinnern, dass ich als Ministerpräsident zunächst die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in meinem Land zu vertreten habe. So gibt es mir mein Amtseid vor und ich habe die Absicht, diesen Eid ernst zu nehmen. Genauso selbstverständlich stehe ich auch dafür, den Koalitionsvertrag meiner Landesregierung in die Tat umzusetzen und der steht u.a. für die Stärkung des Schienenverkehrs. Deswegen hat die Landesregierung am 31. März 2017 eine gute Entscheidung für das Land getroffen und all jenen, die dazu beigetragen haben, gilt mein Dank.