Vom Thüringer Meer zu Erfurter Pfützen

Langsam holt mich der alltägliche Dienst immer mehr ein. Attila ist berechtigt beleidigt, weil er die letzten Tage immer viel schwimmen konnte und nun nach den Stürmen in Erfurt nur Pfützen vorfindet. Er vermisst das Thüringer Meer.

Aktuell habe ich zwei Rezensionen zum Buch „Schreddern, Spitzeln, Staatsversagen“ zum Lesen bekommen. Da ich ja in den nächsten Tagen mehrere Veranstaltungen zu dem von mir vorgelegten Buch in ganz Deutschland haben werde und das Thema NSU durch den Prozess in München mit allen Facetten immer mehr an Aktualität gewinnen, freut es mich, wenn auch eine der bedeutendsten deutschen Tageszeitungen, die FAZ, unserem Buch so viel Aufmerksamkeit widmet. Zwar hat der Autor offenkundig nur eine Auftragsarbeit zur Unterstützung von Geheimdiensten gemacht und es ist offensichtlich auch wenig Kenntnis von den rassistischen Morden, der NSU und den Verwicklungen des Thüringer Geheimdienstes festzustellen.

Aber auch ein Verriss ist dann ein Ritterschlag, wenn er so fundamental kommt, dass die FAZ es als nötig erachtet die Geheimdienste an sich verteidigen zu müssen.

Interessant ist, dass am gleichen Tag alle anderen Tageszeitungen ihr Misstrauen gegenüber Geheimdienste in solchem Maß formulieren wie es bisher noch nicht erfolgt ist.

Wer eine genau entgegengesetzte Rezension lesen möchte, von jemanden der die Arbeit der NSU Untersuchungsausschüsse sehr genau kennt, dem sie der Artikel von Gerd Wiegel ans Herz gelegt.

Aktuell entwickelt sich in Erfurt leider eine sehr unschöne Geschichte, ähnlich wie 2009, als vor der Erfurter Moschee demonstriert wurde. Damals haben wir gemeinsam mit den Muslimen, Vertretern der jüdischen Gemeinde und der evangelischen Kirche unseren Protest gegen diesen religionsfeindlichen Aufzug deutlich gemacht. Jetzt gibt es eine bedrückende Anmeldung der NPD, am 17. August, wenige Tage nach dem Ramadan, vor einer Metzgerei in Erfurt. Sie wollen dort gegen muslimische Religionsvorschriften demonstrieren. Dazu habe ich gestern Briefe an die Vertreter alle Religionen in Erfurt und die VorsitzendeN aller Fraktionen im Stadtrat und im Landtag geschrieben.

Es bedrückt mich, dass der Begriff „Kauft nicht bei Moslems“ sich durch meine Seele schleicht, wenn  Nazis scheinbar harmlos und banal vor Geschäften demonstrieren wollen, in denen Muslime einkaufen gehen.

Hier bleiben sich Nazis offensichtlich sehr treu. Dagegen muss man ein Zeichen der Weltoffenheit und Toleranz setzen.

Meine Kollegin Susanne Hennig hat bereits die Stadt aufgefordert diesen Aufmarsch zu unterbinden.

Am späten Abend telefoniere ich noch mit Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, den ich leider im Ramadan stören muss. Er wird sich an dem Aufruf beteiligen und uns unterstützen.