Singen oder nicht singen, das ist hier die Frage

Gestern bei der Gedenkstunde zur Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald waren auch ehemalige Häftlinge anwesend und einer von ihnen hat für einen besonders berührenden Augenblick gesorgt. Als wir da auf dem Appellplatz standen, wurde über die Lautsprecher das Buchenwaldlied abgespielt, allerdings nur die erste Strophe. Und als die Musik aus dem Lautsprecher verstummte, hörte man weiter die Stimme eines Mannes, der zwar sehr alt ist und im Rollstuhl sitzt, aber der die Kraft hat, die zweite Strophe so zu singen, dass er über den ganzen Platz zu hören ist.

Ein eindrucksvoller Moment, denn es war zu spüren, wie viel Bedeutung dieses Lied für die Überlebenden des Leids hat – auch heute nach 68 Jahren. Es hat mich aber auch gefreut, dass wieder viele junge Menschen an der Gedenkveranstaltung teilnahmen. Das ist auch ein Beleg für die gute Arbeit, die in der Gedenkstätte unter Leitung von Prof. Knigge geleistet wird.

Auf dem Weg nach Buchenwald hat mich bei der Lektüre des Pressespiegels auch schon die Frage des Singens oder Nicht-Singens beschäftigt. Beim Durchschauen der Artikel zur Rabbinerordination fällt mir auf, dass die Berichterstattung der Thüringer Speziellen mal wieder unterirdisch ist. Es gibt nicht wirklich einen Bericht über die Ordination, nur ein Foto mit der Bildunterschrift „Die neuen Rabbiner singen zu ihrer Amtseinführung“.

Wenn ein Journalist der Zeitung vor Ort gewesen wäre, hätte er vielleicht mitbekommen, welche Bedeutung die Musik für den Gottesdienst hat und vor allem, dass es die Kantoren sind, die singen und nicht die Rabbiner. In der Predigt des Präsidenten des Abraham Geiger Kollegs, Rabbiner Prof. Walter Jacob, ging es genau um das Verhältnis von Kantoren und Rabbinern: wer singend den Gottesdienst bereitet und nicht nur Töne von sich gibt und wer für die Schrift zuständig ist. Hinter jedem guten Rabbiner steht ein noch besserer Kantor, so Rabbi Jacob und beide sollten sich mit Ihren Stärken ergänzen. Und genau deshalb ist die Kantorenausbildung in Weimar ein so wichtiger Beitrag für das Jüdische Leben in Deutschland. Nur leider erfahren die Leser der größten Thüringer Tageszeitung nichts von alledem, sie bekommen nur ein schönes Foto und eine fehlerhafte Bildunterschrift.