Wir fragen weiter
Während der letzten drei Tage hat mich wieder die Aufklärung des NSU-Terrors beschäftigt und es ist wirklich nur zum Kopfschütteln, dass wir seit einem Dreivierteljahr, seit die Taten der mordenden Nazis bekannt wurden, immer noch mehr Fragen als Antworten haben. Welche Rolle spielte „Blood & Honour“? Warum werden dem Thüringer Untersuchungsausschuss dazu keine Akten übergeben? Gab es über diese Organisation Verbindungen ins Ausland, zu anderen Rechtsterroristen? Was wusste der Bundesnachrichtendienst?
Es gibt viele Hinweise, dass der BND in Eisenach aktiv war, unmittelbar nachdem sich die beiden Terroristen dort selbst getötet hatten. Für die Polizei ging es zu diesem Zeitpunkt noch um einen Banküberfall, nicht um mordende Nazis. Was machte dann der Geheimdienst dort? Und warum gibt er uns heute immer noch keine Auskunft darüber? Wir sind es doch den Opfern und ihren Angehörigen schuldig, dass die Taten restlos aufgeklärt werden. Und wir haben die gesellschaftliche Verantwortung, restlos zu hinterfragen, wie eine Nazi-Terrorgruppe entstehen und jahrelang Menschen umbringen konnte, ohne dass es bemerkt wurde.
Weil die Fragen so brenzlig sind, hat es mich gefreut, dass am Samstag trotz Ferien und Hitze zahlreiche Menschen in die Eisenberger Stadtbibliothek gekommen sind, um mit mir über das Thema zu diskutieren. Anlass war eine Lesung aus dem Buch „Made in Thüringen?“, in dem wir alles zusammengefasst haben, was wir bisher über den Nazi-Terror und seine Entstehung wissen. Es ist ungemein wichtig, dass wir diese Erkenntnisse und die vielen offenen Fragen in der Öffentlichkeit diskutieren, denn gerade jetzt, 20 Jahren nach den Ereignissen in Rostock-Lichtenhagen, ist es wichtig, dass es kein Vergessen gibt. „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ Dieser Satz gilt nach wie vor. Deswegen müssen wir fragen, aufklären, diskutieren. Mit Schreddern wird das Problem nicht gelöst, auch wenn sich das in den Behörden und Diensten offensichtlich Viele wünschen.