Wer die Qual hat …

Wenn ich zu meinem Landtagsbüro will, habe ich fast keine andere Möglichkeit als durch den Flur der Grünen-Fraktion zu laufen. Das ist in der Regel auch gar nicht schlimm. Gut, manchmal würde Attila gern dort bleiben, weil er für Abwerbeversuche immer offen ist – aber es sei ihm verziehen. Und genau wie wir auch, haben die Grünen regelmäßig Ausstellung in ihrem Flur. Momentan sieht man da unter anderem dieses (Schaufensterpuppen-) Kind mitsamt Schulbank. Es erinnert mich an meine eigene Schulzeit, in der ich regelmäßig in dieser Pose über den Hausaufgaben hockte.

Der gequälte Eindruck, der hier als Kunstform präsentiert wird, passt aber auch zur aktuellen Debatte um das Kölner Beschneidungsurteil. Die Diskussion ist auch ziemlich gequält und viele Beiträge zeichnen sich durch gefährliches Halbwissen aus. Vielleicht sollten wir uns alle erstmal schlau machen. Da fände ich es am besten, wenn der Bundestag eine große Anhörung durchführt, in der die WHO, Ärzte, Traumapsychologen und die Vertreter der verschiedenen Religionen genauso zu Wort kommen wie auch die Richter aus Köln und andere, die die Beschneidung von männlichen Kindern strikt ablehnen. Dann könnten wir miteinander diskutieren, warum der Staat möglicherweise per Strafrecht eingreifen soll, wenn in vergleichbaren Fällen der Elternwille gesetzlich Vorrang hat. Praktisch wäre doch eine Regelung, die es ermöglicht, dass eine Beratung der Eltern vorgeschaltet wird und nur medizinisches Fachpersonal die Beschneidung durchführt.

Ein Staat der Minderheiten und Toleranz nicht mehr als Maßstab kennt, ein solcher Staat würde mir Angst machen. Wir müssen in einem modernen Staat auch Dinge und Rieten aushalten, die eine Mehrheit als Paradoxie empfindet. Nur so könnte Abwägung mit Toleranz verbunden werden. Gerade an einem Tag wie gestern, wo in Syrien ein schwerer Bombenanschlag im Zentrum der Macht zu Jubelfeiern bei denen führt, die Syrien nicht mehr als laizistischen Staat haben wollen. Man muss das Assad Regime wirklich nicht mögen, es hat furchtbarste Gräueltaten begangen. Aber wenn mit westlichen Waffen und CIA-Trainern sunnitische Kämpfer in diesem blutigen Bürgerkrieg unterstützt werden,dann wundere ich mich nur noch. Die Wahabiten und Salafisten werden hier in Deutschland unter Generalverdacht durch Staat und Verfassungsschutz gestellt, als Terroristen bezeichnet und in Syrien dann als Aufständische bzw. Freiheitskämpfer allabendlich in unseren Nachrichten präsentiert. So einfach ist die Situation leider nicht.

Und dann höre ich gestern Abend noch von dem furchtbaren Annschlag in Bulgarien auf einen Bus israelischer Touristen. Mit Trauer und großer Sorge nehme ich zur Kenntnis, dass unschuldige Menschen grausam ermordet und verletzt wurden, sogar schwangere Frauen und Kinder. Ich trauere mit den Familien, den Angehörigen und mich beschleicht die Angst, dass die Intoleranz den Hass in der Welt immer weiter entfacht.