Wenn Wasser zur Waffe wird
Der ganze Sonntag ist geprägt von Gesprächen und Debatten mit den unterschiedlichsten Vertretern aus Palästina. Vertreter der Jugendbewegung, der Frauenbewegung, politische Aktivisten und auch Beauftragte der Boykott Kampagne (BDS-Kampagne und der PACBI). Die Qualität der Informationen war sehr unterschiedlich und die Argumente z.B. der Boykott Vertreter war für mich nicht wirklich überzeugend. Vieles hörte sich in meinen Ohren eher nationalistisch und leider sehr undifferenziert an. An diesem Punkt waren die Überzeugungen zwischen unsere Delegation und der Aktivisten wohl weit auseinander. Den Ausgangspunkt all dieser vorgetragenen Fakten, Analysen und Sorgen teilen wir, wenn wir auch die Schlussfolgerungen und Konsequenzen teilweise nicht mitgehen würden. Auffallend ist aber, dass kein einziger Vertreter der palästinensischen Seite mehr an einen gemeinsamen Weg zum Frieden oder an ein gemeinsames, friedliches Zusammenleben im gleichen Territorium glaubt. Die täglichen Erfahrungen in den besetzten Gebieten lehrt die Menschen eine andere Sicht und verstärkt den tief sitzenden Frust in der palästinensischen Bevölkerung.
Am Abend haben wir dann ein Abendessen mit dem Leiter der palästinensischen Wasserbehörde Herrn Shaddad Attili. Er ist auch ein Fachmann für Hydrogeologie, der in München geboren ist und nun seit 14 Jahren hier lebt und die Wasserversorgung der Westbank plant. Herr Clemens Messerschmid teilt uns eine kleine Anfrage der Linken Bundestagsfraktion aus (Die Antwort der Bundesregierung) und berichtet über Dichtung und Wahrheit bei der Beantwortung. Hier können wir uns mal vor Ort über unsere eigene praktische Arbeit erkundigen. Dieser Teil des Abendessen schlägt uns auf den Magen. Haben wir im laufe des Tages über politische Wertungen, Deutungen und Schlussfolgerungen gesprochen und auch unterschiedliche Bewertungen ausgetauscht, so endet der Tag mit bitteren Fakten. Amnesty International hat dazu gerade eine Studie vorgestellt (Die von „Amnesty International Köln“ ins deutsche übersetzte Version der Studie.) und Herr Messerschmid erläutert als Projektleiter die Fakten aus seiner Sicht. Nur jede Zahl, jeder Fakt den er vorträgt ist wie ein Schlag vor den Kopf und wirkt bei mir wie ein Schlag in die Magengrube. Gerade die Beduinenansiedlung die wir am Vortrag besucht haben, liegt im wasserärmsten Gebiet. Das durchschnittliche Wasserangebot in dem Gebiet entspricht der Menge, die Menschen nach Erdbeben im Durchschnitt zur Verfügung haben. Hier wird offenkundig die Dauerkatastrophe organisiert und bei mir breitet sich die Frage aus ob es vorsätzlich gemacht wird. Uns wird die Bedrohung klar unter der die Menschen leben, die wir gestern besucht haben. Wenn die Zisterne der Beduinen abgerissen wird, obwohl sie seit 150 Jahren dort ist, dann werden die Menschen mit der Waffe Wasser vertrieben. Wenn die Palästinenser kein Recht haben, selber Tiefbrunnen zu bohren, dann wird das Wasser künstlich verknappt. Auf den Bergen auf denen die palästinensischen Städte liegen, dort regnet es regelmäßig und es versickert zügig in dem felsigen Kalkkaarst Gebirge. Es sammelt sich unterirdisch im Jordantal und dort wäre es mit ordentlichen Brunnen systematisch zu erschließen. Herr Messerschmid führt aus, dass es genug Grundwasser in der Westbank gibt. Nur das mögliche Erschliessungsgebiet für diese Brunnen, liegt im C-Gebiet und deshalb hat die israelische Armee den absoluten Daumen drauf.
In Oslo haben die Palästinenser mit den Israelis Verträge abgeschlossen und vereinbart das die Wasserversorgung deutlich verbessert und ausgebaut wird. Tatsächlich aber hat die Bevölkerung der Westbank heute pro Kopf weniger Wasser, als vor Oslo zur Verfügung. Pro Kopf hat jeder Israeli 260 Liter Trinkwasser und jeder Palästinenser 54 Liter zur Verfügung. Nur zum Vergleich: Jede und jeder Deutsche verbraucht im Durchschnitt 122 Liter am Tag.