70000 Menschen einfach Schachfiguren?

Der Tag beginnt mit einem Stadtrundgang. Altstadt, Jaffa Tor, Tempelberg, Grabeskirche und einiges mehr stehen auf unserer Liste. Dann fahren wir aber durch die palästinensischen Stadtteile von Ostjerusalem. Mit dem Bus entlang der Sperranlagen. Mal Mauer, mal Zaun wechseln sich ab. Dabei lernen wir zwei Stadtgebiete Jerusalems kennen, die mit rund 70.000 Einwohnern erst 1967 im Zuge des 6 Tagekrieges dem neuen, erweiterten Stadtgebiet von Jerusalem zugeschlagen wurden. Diese wurden nun faktisch bei der Errichtung der Sperranlagen einfach hinter die Mauer verbannt.
Das Qualandia Camp und den Stadtteil Kafr’Aqp besuchen wir auf der Tour mit einem Jüdischen Vertreter der Organisation „ir amim“. Diese setzt sich für Verständigung ein.
Der Palästinensische Busfahrer zeigt uns sein Haus und weist dann auf das Gebäude jenseits der Mauer, in dem sein Bruder wohnt. Ein Steinwurf entfernt und doch so weit. Stunden Umweg und das passieren eines martialischen Grenzsystems sind notwendig um einfach mal zur Familie seines  Bruder zu kommen.
Zwischen Ar Ram und Hizma macht die Sperranlage einen weiten Bogen in das Gebiet der West Bank hinein. Unser Begleiter nennt das, das Neusiedlungsgebiet. Man trennt also zwei palästinensische Siedlungen durch eine massive jüdische Neusiedlung und erweitert damit sogar das Stadtgebiet Jerusalems.
Der Sicherheitszaun hat Jerusalem und Israel zwar tatsächlich vor Selbstmordanschlägen bewahrt. Er führt aber leider dazu, dass für die Israelis die palästinensischen Nachbarn mehr und mehr aus Blickfeld und Bewusstsein rücken. Ein besonders trauriges Symbol für die Situation ist ein Basketballfeld im Schatten der Mauer. Dieses Basketballfeld wurde unter dem legendären Bürgermeister Teddy Kollek (1911-2007) erbaut. Es sollte ein Platz für die Kinder und Jugend zum gemeinsamen Sport sein. Palästinensische Kinder von Ar Ram und jüdische Kinder von Neve Ya’akay. Der Platz heißt deshalb Friedensplatz. Und so wie der Frieden im Nahen Osten heute aussieht, so sieht leider auch der Platz aus. Traurig und gespenstisch.
Wir begreifen, dass der Schlüssel des Friedens in Jerusalem liegt.
Am Nachmittag besuchen wir in Ostjerusalem die Radiostation „all for Peace“.Ein Palästinensische/israelisches Gemeinschaftsprogramm mit zwei Frequenzen und Sendungen in beiden Sprachen.Es erinnert mich an Radio Frei oder Radio Lotte bei uns. Mitmachproduktion, Gewerkschaftsthemen, Lebensrealitäten der normalen Menschen. Es wird aber auch über Schikanen berichtet. Die Hebräische Frequenz darf terrestrisch z. Zt. nicht abgestrahlt werden. Hebräisch darf außerhalb des Israelischen Staatsgebiet nicht gesendet werden. Ramallah, der Sendeort, liegt nun mal genau hinter der Mauer und der Produktionsort in Ostjerusalem liegt kurz davor. Der Sender klagt gerade vor dem höchsten Gericht um die volle Sendeberechtigung wieder zu bekommen.
Ein ehemaliger Israelischer Botschafter, der lange im diplomatischen Dienst war, ist so ein ehrenamtlicher Mitarbeiter dieses Senders. Er erläutert uns seine Motivation hier im Sender mitzuarbeiten. Er hatte jüdische Eltern aus Deutschland. Sein Vater war ein kommunistischer Jungaktivist. Er wurde dann von der Gestapo geschnappt. Er kam drei Jahre in das NS-Gefängnis Moabit, dann ein Jahr in das KZ Buchenwald und nur durch einen Zufall sind seine Eltern aus Deutschland noch lebend raus gekommen. Er selber war als junger Mensch glühender Zionist. Erst Militärdienst und Kriegseinsätze und dann später diplomatischer Dienst. Heute ist er Radioaktivist bei „all for Peace“ und setzt sich für die Verständigung zwischen Juden und Palästinensern ein. Jede Woche produziert er eine Stunde Gespräche mit Palästinensern, die er regelmäßig in der West Bank besucht und dort vor Ort die Gespräche aufzeichnet. Zum Team gehört auch der ehemalige israelische Direktor von Green Peace. Es gibt also auch überall Zeichen der Hoffnung und der Verständigung.


Was sonst noch bei mir war: Zu Hause stellte mir das Amtsgericht Dresden den Strafbefehl in Höhe von 3.400 € zu. Damit soll meine „Pseudo-Rädelsführerschaft“ von Dresden 2010 geahndet werden. Nazi morden unerkannt, die sächsischen Behörden merken 13 Jahre lang nichts und die die sich gegen braunen Ungeist wehren sollen wohl eingeschüchtert werden. Wir lassen uns aber nicht einschüchtern! Wir kämpfen wir weiter!