Politisch aufarbeiten, persönlich verarbeiten.
Zurück in Deutschland geht es gleich wieder an die Arbeit. Es gilt lange vereinbarte Termine zu erledigen. In Zella-Mehlis haben wir einen Energietag mit mehreren Fachgesprächen. Auf dem Weg dorthin spüre ich die Herbstglätte auf der Straße aber glücklicherweise komme ich trotzdem gut an. Gemeinsam mit Kollegen aus dem Bundes- und dem Landtag spreche ich mit dann mit Akteuren, die mit verschiedenen Projekten einen Teil zur Energiewende beitragen. Es geht um die Energieversorgung für ein neues Ärztehaus und um die Entwicklung von Elektroautos. Letztere sollen in der Stadt kostenlos Strom tanken können. Wenn das klappt, wäre es wirklich wegweisend.
Obwohl die Projekte alle sehr spannend sind, fällt es mir zwischendurch schwer, mich zu konzentrieren. Auf dem Handy kommen neue Meldungen zu den Rechtsterroristen, die sich mit Medienanfragen abwechseln. Unabhängig von der massiven politischen Dimension des Falls, beschäftigen mich das alles auch persönlich. Inzwischen ist mir klar geworden, dass ich die beiden Männer schon einmal im Nacken sitzen hatte – und das nicht nur sprichwörtlich. Als der Alt-Nazi und Holocaustleugner Manfred Röder 1996 in Erfurt die Wehrmachtsausstellung beschädigte, war ich zufällig anwesend und konnte ihn mit vollem Körpereinsatz von weiteren Taten abhalten. Im anschließenden Gerichtsprozess musste ich als Zeuge aussagen und währenddessen saßen die beiden damals zukünftigen Mörder genau hinter mir.
Nicht nur deswegen, bin ich beunruhigt und habe zum ersten Mal seit längerer Zeit schlaflose Nächte. Es ist einfach einerseits bitter und andererseits empörend zu wissen, dass der Verfassungsschutz über einen selbst seit 30 Jahren Informationen sammelt und speichert, als wäre man ein hochgefährlicher Staatsfeind. Und diejenigen, die aus einer verbrecherischen Gesinnung heraus brutalste Morde begehen, bleiben völlig unerkannt. Das alles muss politisch aufgearbeitet werden und der Verfassungsschutz muss grundsätzlich hinterfragt werden. Aber – da bin ich ganz ehrlich – dass rechtsextreme Mörder in unserem Land unentdeckt agieren können, besorgt mich auch ganz persönlich und das wird sich wohl kaum ändern, solange dieser braune Sumpf nicht völlig trocken gelegt ist.