Juden in Hechingen oder Hechinger Juden?

Mit einer interessanten und hochspannenden Stadtführung startet unser Tag in Hechingen, von dem die fleißigen TagebuchleserInnen wissen, dass ich ihn bereits im Wahlkampf im Frühjahr besucht habe.
Während der Führung stossen wir genau auf die Frage, ob es richtig ist zu sagen Juden in Hechingen oder Hechinger Juden? Unser Stadtführer Herr Vees steht mit unserer Gruppe jüdischer Studierender vor der Snygoge erläutert diese Frage.
Waren die Hechinger Juden die seit circa 1400 in Hechingen wohnen und seit ungefähr 1500 urkundlich ihre erste Synagoge hier hatten Fremde die nur vorübergehend in der Stadt waren oder waren sie teil dieser Stadt und damit integraler Teil der Kultur? Die Frage ist auch deshalb wichtig, da nach 1945 kein Jude mehr in Hechingen lebte und vorher immerhin jeder vierte Einwohner dieser Gemeinschaft angehört hat. 500 Jahre gemeinsames Leben wurden ausgelöscht. Unser Stadtführer, ein ehemaliger Zahnarzt, widmet sich seit Jahrzehnten dieser Frage. Aber nicht theoretisch, sondern eher praktisch. Dass der jüdische Friedhof nicht eingeebnet ist und die Synagoge wieder im alten Glanz erstrahlt, hat etwas mit den unermüdlichen Kraftanstrengungen von Dr. Vees zu tun. In der Synagoge erläutert er den Studierenden, dass er in der ganzen Welt Überlebende Hechinger Juden gesucht, gefunden und auch aufgesucht hat. Lediglich sein Vorname Adolf war dabei immer ein Hindernis. Dieser Name ist aber seinem Großvater, der den gleichen Namen trug, geschuldet und hat nichts mit dem Gröfaz (Größter Feldherr aller Zeiten) zu tun. So ist es diesem Adolf Vees zu verdanken, dass weltweit Hechinger Juden die Synagoge ihrer alten Heimat wieder in ihr Herz schließen konnten.
Ich beobachte, dass seine Berichte über diese Begegnungen nicht ohne Wirkung bei den jungen Leuten bleibt. Mich berührt das und es wirkt befreiend, dass jungen Menschen mit Tränen reagieren. Es wird deutlich, wir Deutschen haben die Verantwortung für die Vernichtung der jüdischen Kultur. Oder besser gesagt, wir haben Verantwortung die Kultur wieder entstehen zu lassen.
Am Abend erleben wir ein großes jüdisches Kantoralkonzert. Der Prinz von Hohenzollern begrüßt die Anwesenden auf der Burg und freut sich dass die Seminarwoche unter dem Titel „Deutschland deine Juden“ steht. Während des Konzertes geht es mir wie den Studierenden am Nachmittag in der Synagoge. Ich gebe zu, ich muss mit den Tränen kämpfen, als die Musik einer Komposition erklingt, die im KZ Theresienstadt komponiert wurde. Der Komponist hat Theresienstadt nicht überlebt, seine Musik aber schon. Jedes mal wenn die Melodien gespielt werden ist dies ein Sieg über die Hitlerbarberei. Deshalb ist es so wichtig dass wir begreifen, dass diese Kultur Teil der deutschen Kultur ist und nicht untergehen darf.
Überraschend war für mich, dass eine ganze Reihe von GenossInnen aufgrund der Ankündigung im Schwarzwälder Boten daran teilgenommen haben. Ich freue mich, dass viele GenossInnen neugierig auf das Konzert waren und auch gekommen sind um mich zu treffen und mit mir ins Gespräch zu kommen.
Der Abend klingt dann am Kickertisch aus. Die Musiker und die Studierenden ringen gemeinsam mit Chef des Haus der Hohenzollern um den Sieg. Beim Abschied sagte mir der Prinz, dass er im Vorfeld neugierig mein Tagebuch verfolgt hätte. Das hat mich gefreut und ich konnte mich im Gegenzug für ein tolles Seminar auf der Burg Hohenzollern bedanken. Bei dem ich in meinem Referat natürlich die Verfolgung der Sozialisten im Rahmen der Sozialistengesetze nicht verschwiegen habe. Es ist schön zu sehen, wie Gegensätze fruchtbar zusammenwirken können, wenn man sie ihn ihrer Gegensätzlichkeit akzeptiert und sich diese Gegensätze produktiv zunutze macht.