Ein Vogelhäuschen und seine Folgen
Wieder ein Gastbeitrag von Mario Gesiarz ;-).
Damit hatte nun wirklich niemand rechnen können: dass eine harmlose Persiflage auf die Frankfurter LINKE, verfasst im April 2010, dermaßen Karriere machen würde. Denn Ende des Jahres geisterte der Text plötzlich durch alle elektronischen Medien in und rund um die Partei. Auf der Homepage eines führenden Genossen war es ebenso zu finden wie im Newsletter der Bundespartei, in „Scharf-links“ und auf zahlreichen Heimseiten verschiedener linker Menschen. Sogar auf die Seite der SL genannten Strömung schaffte es der Text und in Facebook gab es dazu eine „AG Vogelhäuschen“ mit über hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Das war aber nur die öffentlich sichtbare Auswirkung vom „Vogelhäuschen“. Es gab noch ganz andere Folgen. Erstmals und wirklich strömungsübergreifend hatte die Partei einen Text zur Verfügung, an dem niemand rumkritisierte. Niemand? Nun, vielleicht bis auf das ehemalige Parteimitglied Hans-Helfrich Bentmark-Sprinkelfeld aus Nallenheim. Dem war nämlich bei seinem einzigen Versuch, Wahlplakate in seiner Heimatgemeinde aufzuhängen, 2008 ein Vogelhäuschen auf den Kopf gefallen. Und natürlich waren seither an seinen Kopfschmerzen abwechselnd die Partei und das Vogelhäuschen schuld. Niemand hatte den Vorgang zur Kenntnis genommen, denn zu der Zeit war gar kein Wahlkampf, was Hans Helfrich als bösartige Unterstellung aber stets zurückwies und austrat.
Das „Vogelhäuschen“ fand eine dermaßen massive Verbreitung innerhalb der Linken, dass es binnen kürzester Zeit zum Synonym für die Partei wurde und als neues Symbol inzwischen bundesweit an Parteibüros installiert wurde.
Immerhin führte der Text innerhalb der Partei tatsächlich zu fast keinen Verwerfungen, was die noch junge Organisation so auch noch nicht erlebt hatte. Nicht bestätigt werden kann das Gerücht, dass einige Mitglieder der Programmkommission den Text deshalb gerne ins Parteiprogramm aufgenommen hätten. Ein Mitglied soll sogar vorgeschlagen haben, den „Vogelhäuschen“-Text als Alternative zum Programmentwurf dem Parteitag 2011 vorzulegen. Angeblich hätte der Autor da widersprochen.
Nun begannen im Internet Bauanleitungen für Vogelhäuschen zu kursieren. Ist ja auch ganz einfach so ein Ding zu bauen, besteht es im Grunde nur aus sieben Bauteilen: zwei Giebelwänden, zwei seitlichen Wänden, zwei Dachteilen und einem Grundbrett. Im Landesverband Bayern musste man allerdings wegen interner Streitereien drei, in NRW gar sechs Vogelhäuschen nebeneinander platzieren. Nun warum nicht. Im Saarland wurde ein Vogelhaus nachgebaut mit den Außenmaßen von 2×4 Metern und einer Grundplatte von 19 Quadratmetern. Denn dort war man der Ansicht, dass alle Zugvögel nur über ihr Gebiet flögen und im saarländischen „Gäärdschen“ Rast machen würden. Es blieb leer. In Berlin, Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt wurde das Häuschen mit der Bundes- und der Landesflagge versehen, um Ansprüche auf die vorhandene bzw. geplante Regierungsübernahme deutlich zu machen. In Rheinland-Pfalz bekam man nur drei Bauteile zusammen und in Hamburg hatte man kurzfristig anderes zu tun.
Aber auch außerhalb der Partei zeigte es Wirkung: Am schwersten traf es die Mitarbeiter einer öffentlichen Behörde, die dafür bekannt sind, gar nicht so öffentlich zu arbeiten – ja manchmal sogar so verdeckt zu agieren, dass sie oft selber nicht wissen was sie tun. Es soll die Anweisung existiert haben, „wenn die Linkspartei keinen Streit um den Text entfacht, dann müssen wir da nachhelfen“. Es nützte nichts. Der Text war und blieb von allen unwidersprochen. Außer eben dem Hans-Helfrich in Nallenheim.
Die Schlapphüte aber gingen nun daran, das „Vogelhäuschen“ ob dieser einmaligen Wirkung als unumstrittener Text unter die Lupe zu nehmen. Eine Arbeitsgruppe wurde beauftragt den Text zu dechiffrieren, was bis dato noch nicht gelang. Als an der Tür eines Parteibüros in Hessen ein Zettel gesichtet wurde: „Bin im Laden Vogelhäuschen kaufen! Ali“ soll der Text sogar kurzzeitig auf der Terror-Liste des BKA gestanden haben.
Doch beim Verfassungsschutz gab man nicht auf. Zunächst gab es die Überlegung, das alte Volkslied „Alle Vöglein sind schon da“ auf den Index setzen zu lassen. Dann überlegte man, die Anzahl der inoffiziellen Mitarbeiter aufzustocken, um so flächendeckend alle Vogelhäuschen beobachten zu können. Dabei deckten die Schlapphüte auf, dass in Bayern einige CSU-Abgeordnete Vogelhäuschen in ihrem Garten erbost abbauten, nachdem Mitglieder einer Linken-Strömung sich davor versammelt, die „Internationale“ abgesungen und die Fäuste deutlich sichtbar gen Himmel gestreckt hatten. Panik brach aus, als eine große Baumarktkette in ihrem Jahresendprospekt einen Sonderposten Vogelhäuschen feilbot.
Schließlich gab man beim Bundesamt die Jagd nach dem Geheimnis auf und der Chef konstatierte in einem internen Papier, dass es sich „bei dem Hype um dieses rote, wahrscheinlich verfassungsfeindliche Vogelhaus wohl um eine gezielte Anbiederungsstrategie in Richtung bürgerlicher Tierschützer“ handeln müsse.
Unbestätigt blieb auch das Gerücht, ein Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums, dem ohnehin noch nie jemand zugehört habe, hätte vorgeschlagen, kurzfristig eine „Bundes-Vogelhäuschen-Steuer“ (BuVoHäuSt) einzuführen, wäre es doch die einmalige Gelegenheit, damit vor allem nur Linke zu treffen.
Jetzt wäre alles seinen friedlichen Weg gegangen, wenn – ja, wenn nicht ein linkes Provinzblatt eine Podiumsdiskussion initiiert hätte unter dem Titel „Wo bitte geht‘s zum Vogelhäuschen?“ Auf dem Podium sitzen sollten eine selber unter Artenschutz stehende Vogelkundlerin, eine ehemalige Vogeljägerin und die Bundesmutter der LINKEN. Auch das wäre ohne Nachhall geblieben, hätte nicht ein als notorisch vogelfeindlich geltendes Nachrichtenmagazin den Vorgang aufgegriffen. Seither wird wieder im ganzen Land heiß diskutiert. Nun witterten auch die CSU-Abgeordneten ihre Chance: Tief gekränkt von den Vorgängen, die zum Abbau ihres Vogelhauses im Garten geführt hatten, forderten sie nun ein Verbot des Textes oder gleich der ganzen Partei
Der Ausgang ist offen.
© Mario Gesiarz 01/2011
PS: Hier noch eine wichtige aktuelle Meldung zur Kommunismus-Debatte.