Verantwortung für Vergangenheit und Zukunft
Nach der gestrigen Abstimmungsüberraschung, dass unser Antrag zu zwanzig Jahren Thüringen auf der Tagesordnung nach vorne rutscht, haben wir heute die Debatte darüber. Es ist eine größtenteils sachliche Diskussion, in der natürlich auch Historisches seinen Platz hat. Ein bisschen wundert es mich aber, dass sowohl die Ministerpräsidentin wie auch der Fraktionsvorsitzende der CDU kritisieren, dass unser Antrag unvollständig wäre. Bis gestern Vormittag wollten sie gar nicht darüber reden und jetzt ist es ihnen nicht genug. Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich Fähnchen im Herbstwind drehen können.
Alle Redner gehen auch auf Unrechtserfahrungen – persönliche und gesellschaftliche – in der DDR ein. Dieter Hausold beschreibt eindrücklich, dass der Sozialismusversuch scheitern musste, weil er keine Demokratie zugelassen hat. Der Grünen-Abgeordnete Frank Augsten geht auf die Verantwortung der Blockparteien ein und wie schwer erträglich es ist, wenn sich Mitläufer von damals heute als große Freiheitskämpfer darstellen.
Zur Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der DDR und der letzten zwanzig Jahre gehört für mich aber auch, sich nun den Zukunftsfragen zu stellen. Wir haben unterschiedliche Verantwortung für die Vergangenheit aber wir haben alle die gleiche Verantwortung für das, was noch kommen soll. Der Ausspruch „Mehr Demokratie wagen“ hat nichts an seiner Gültigkeit verloren. Wir brauchen mehr direkte Demokratie und es wäre auch ein wichtiger Schritt, in den Kommunen endlich das Wahlalter auf 16 zu senken. Dass die schwarz-rosa Koalition sich in diesen Fragen so zurückhält, zeigt, dass es eigentlich nur eine Fortsetzung der schwarzen Traurigkeit der Vorgängerregierung ist.
Der Freitag endet bei einer Podiumsdiskussion in Bad Sulza. Es geht um Verwaltungsstrukturen und wie sie effektiver werden können. Die Veranstaltung zeigt, dass die Einsicht über die Notwendigkeit einer Veränderung oft da ist, aber wenn es konkret wird, sagen viele Bürgermeister und Landräte: Bei mir bitte nicht. Also muss dafür geworben werden, dass eine Verwaltungsreform für alle ein Gewinn ist, auch wenn damit aus einigen bekannten Denkweisen ausgebrochen werden muss.