Medaille gegen Manifest

Zum Dienstagvormittag habe ich einen nicht alltäglichen Medientermin: Der Thüringen-Redakteur des Nachrichtenmagazins SPIEGEL verabschiedet sich, weil er nach Bayern wechselt. Zum Abschied schenke ich ihm die Althaus-Medaille, die zehn Jahre lang meinen Landtagsschreibtisch geschmückt hat. Die Medaille ist ein Originalexemplar des Ordens, den auch Dieter Althaus für seine Verdienste („hervorragenden Leistungen bei der kommunistischen Erziehung in der Pionierorganisation Ernst Thälmann“) als stellvertretender Schulleiter in der DDR erhalten hat. Auch der Kollege vom SPIEGEL hat mir eine Überraschung mitgebracht: Er schenkt mir eine Reclam-Ausgabe des kommunistischen Manifests, die eine ganz besondere Geschichte hat. Er hat sie nämlich auf dem Dachboden des früheren Wohnhauses von Hans-Dietrich Genscher gefunden. Damit ist quasi bewiesen, dass auch der frühere Bundesaußenminister sich zumindest einmal mit kommunistischen Ideen beschäftigt hat.

Im Landtag stehen dann einerseits die üblichen wöchentlichen Sitzungen an, andererseits wartet auch an meinem Schreibtisch schon wieder ein Berg Arbeit. Auch der Fraktionsübertritt unseres Ex-Genossen beschäftigt mich noch einmal. Die Landtagsverwaltung hat ihr Gutachten zum Fraktionswechsel vorgelegt. Darin heißt es, dass die politische Homogenität der aufnehmenden Fraktion gewahrt bleiben muss. Wenn ich mir die bisherigen Äußerungen des Abgeordneten anschaue, kann ich diese Homogenität nicht erkennen, aber wenn sich seine Positionen derartig massiv geändert haben, dann ist das wohl so.

Eigentlich bin ich ganz froh, dass in meinem Büro so viel zu tun ist, denn zu Hause wartet nach wie vor die Terrassenbaustelle. Da der angesagte Regen auch eingetroffen ist, verzögert sich der Fortgang der Arbeiten auf unbestimmte Zeit. Immerhin kann ich mich jetzt mit dem Manifest von Genscher in eine von den Handwerkern nicht belagerte Ecke verziehen.