Pause im Grünen

Das Pfingtswochenende verbringen wir gemeinsam im Grünen, erledigen ein bisschen Gartenarbeit und machen vor allem Pause. Zum Pausemachen gehört reichlich Lesestoff – bei mir sind das neben einem guten Buch auch die Rede von Ernesto Cardenal, die ich mir noch einmal genau anschaue und das politische Nachtgebet von Ulrich Duchrow auf dem Ökumenischen Kirchentag. Ulli Duchrow war Mitstreiter bei der Erfurter Erklärung 1997 und seine Texte sind es immer wert, intensiv studiert zu werden. Den Inhalt des Nachtgebets möchte ich gern mit den Tagebuchlesern teilen:

Spiritualität des Kampfes für eine andere Welt – eine Kultur des Lebens für alle
Politisches Nachtgebet zur Erinnerung an Dorothee Sölle, Ökumenischer Kirchentag, 13. Mai 2010, von Ulrich Duchrow

Ich beginne mit einigen Zeilen aus Dorothee Sölles Glaubensbekenntnis von 1968, das im Kontext des Politischen Nachtgebets in Köln entstand:

„Ich glaube an den Geist
der mit Jesus in die Welt gekommen ist
an die Gemeinschaft aller Völker
und unsere Verantwortung für das
was aus unserer Erde wird
ein Tal von Jammer Hunger und Gewalt
oder die Stadt Gottes.
Ich glaube an den gerechten Frieden
der herstellbar ist
an die Möglichkeit eines sinnvollen Lebens
für alle Menschen
an die Zukunft dieser Welt Gottes.“

Dieses Glaubensbekenntnis brachte ihr damals vom damaligen rheinischen Präses Beckmann den Vorwurf der Häresie ein. Angesichts der Krise heute ist es aktueller denn je. Das möchte ich zeigen, indem ich versuche, uns an Dorothees Spiritualität des Kampfes teilnehmen zu lassen, um die heutige Situation zu verstehen und zu bestehen.

Was hat uns als ökumenische Basisbewegung seit den 1960er Jahren an Dorothee Sölle so fasziniert? In der weltweiten Ökumene erlebten wir – besonders im Süden der Welt – Christinnen und Christen, die mühelos schärfste Analyse der Realität und politischen Kampf mit Frömmigkeit, Feiern und tiefer Spiritualität verbanden. Sie lebten ganzheitlich. Wir Westler hingegen trugen in uns das Erbe der Dualismen der Moderne: Verstand versus Gefühl, Geist versus Materie, Frömmigkeit versus politisches Engagement etc. Dorothee – zuerst zusammen mit den Freundinnen und Freunden des Politischen Nachtgebets – überwand die dualistische Moderne nicht durch Regression, sondern durch gleichzeitige Verschärfung des kritischen Bewusstseins und des politischen Kampfes, verbunden mit dem Sprudelnlassen der emotionalen, spirituellen Quellen auch der eigenen Traditionen. So wurde sie für uns im Kirchentag, in den ökumenischen Netzen, im Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Befreiung der Schöpfung eine Lehrerin der Spiritualität des Kampfes für eine andere Welt, um „das Ganze zu verändern“.

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