Plenum und Proteste

Der Tag im Plenum beginnt damit, dass wir noch vor dem regulären Beginn der Debatte um neun Uhr eine Unterbrechung von 15 Minuten beantragen. Wir wollen uns zunächst innerhalb der Fraktion darüber verständigen, wie wir nach dem gestrigen Wahlergebnis für Katharina König weiter vorgehen. Erfreulicherweise gibt es Signale aus anderen Fraktionen, dass manche Abgeordnete ihre Entscheidung noch einmal überdenken könnten, weil ihnen nicht wirklich klar war, wem sie hier die Mitarbeit in der Stiftung Aufarbeitung verwehren. Also können wir in den nächsten Tag weiter überlegen, ob wir eine neue Abstimmung wollen oder nicht.

Als erster Redner nach der Pause tritt dann der CDU-Abgeordnete Wolfgang Fiedler ans Mikrophon und weil er Geburtstag hat, gratulieren wir ihm natürlich erst einmal. Seine Stimmung scheint das nicht anzuheben, denn er poltert direkt los, dass er nicht verstehen könne, wieso wir mit einer Viertelstunde Verspätung beginnen müssen. Aus meinem Zwischenruf, dass das am seltsamen Abstimmverhalten der Blockparteien liegt, entwickelt sich eine – zugegeben – nicht besonders kulturvolle kurze Auseinandersetzung. Sie endet mit einem Ordnungsruf für Herrn Fiedler, weil er mich einen „Schmutzfink“ nennt. Außerdem erklärt er, mich zukünftig wieder zu siezen. Was bleibt ist eine tiefe Verstimmung.

Im Laufe des Tages bringen wir mehrerer Anträge in das Plenum ein, die wir möglichst schnell behandelt sehen wollen: Die Umsetzung des Volksbegehrens für bessere Familienpolitik, die Abschaffung der Bannmeile vor dem Landtag, Regelungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge, etc. Alles wird in die entsprechenden Ausschüsse verwiesen, auch wenn ich bei manchen Punkten das Gefühl habe, dass wir sie eigentlich gleich beschließen könnten – wenn es keine Fraktions- und Koalitionsdisziplin gäbe. In der aktuellen Stunde zu den Studierendenprotesten gewinnt man den Eindruck, als hätte in diesem Land niemand in den letzten Jahren politische Verantwortung getragen. Aus allen Fraktionen heißt es, dass die Kritik berechtigt ist und über Änderungen gesprochen werden muss. Ich frage mich, von welchem fremden Stern uns die Bologna-Reform und die Verwaltungsgebühren aufgezwungen wurden. An fremde Sterne denkt auch Susanne Hennig, denn als Mario Voigt sich darüber beklagt, wie schlimm überfüllte Seminare seien, kommt ihr gleich das Bild von Odo dem Formwandler aus Star Trek in den Sinn. Der kann sich auch an jede Situation perfekt anpassen, insofern passt der Vergleich doch ziemlich gut.

Am Nachmittag begleite ich gemeinsam mit Astrid Rothe-Beinlich die neuerliche Demonstration von Studierenden, denn außer schönen Worten aus der Regierungskoalition gibt es bisher keine Ergebnisse der Proteste. Die Verwaltungsgebühr – das hören wir jetzt jeden Tag – soll es im nächsten Semester nicht mehr geben, aber ein Beschluss dazu ist nach wie vor nicht in Sicht. Es ist Zeit, dass konkret etwas für eine Verbesserung der Studienbedingungen getan wird. Solange behält der alte Slogan seine Berechtigung: Drum bleibe im Land und wehre Dich täglich.