Noch viel Arbeit am Versöhnungsprozess notwendig

Der Tag im Landtag beginnt mit der Tätigkeit, die niemand so richtig gerne macht aber mit der jede und jeder regelmäßig Zeit verbringt: Warten. Ich bin mit einem Journalisten verabredet, der sich schon mal per SMS entschuldigt, dass es etwas später wird. Als ich ihm zurückschreibe, dass das kein Problem ist, liest er die Nachricht während der Fahrt und wird natürlich prompt in einen kleinen Auffahrunfall verwickelt. Das ist die Stelle, an der Frauen regelmäßig darauf hinweisen, dass Männer nicht Multitasking fähig seien. Für mich heißt es einfach, dass ich noch ein bisschen länger warten muss.
Nach dem Gespräch mache ich mich auf den Weg zum Lutherstein in Stotternheim. Dort bin ich zum energiepolitischen Wandern verabredet, was bedeutet, dass ich beim Wandern mit einem Energiepolitik-Fachmann einige aktuelle Fragen diskutiere. Wir sprechen über die Entwicklung der ostdeutschen Energieversorger im Allgemeinen und über die Notwendigkeit der fortwährenden Modernisierung von Stromnetzen. Auch die Idee einer landesweiten Netzgesellschaft für Thüringen spielt eine Rolle in unserem Gedankenaustausch eine Rolle.
Am Nachmittag erhalte ich – zurück in Erfurt – die Nachricht von der Kündigung des TA-Chefredakteurs Sergej Lochthofen. Ich halte das für eine skandalöse Entscheidung, denn damit wird erneut sichtbar, dass die ursprünglich unabhängigen Zeitungen OTZ, TLZ und TA vom WAZ-Konzern immer weiter zusammengelegt werden. Die journalistische Vielfalt – ein sehr hoch zu schätzendes Gut – wird damit schrittweise aus Thüringen vertrieben.
Abends bin ich wie angekündigt in Eisfeld bei der Diskussion zum Thema Unrechtsstaat. Der Schlosssaal, in dem die Veranstaltung stattfindet ist bis auf den letzten Platz gefüllt und es müssen noch Stühle hereingetragen werden. Es ist eine sehr gute Debatte, die aber auch aufzeigt, wie emotionsbehaftet das Thema Recht und Unrecht 20 Jahre nach der friedlichen Revolution immer noch ist. Dass verschiedene Sichten zum Thema zu Wort kommen, ist eine wichtige Leistung dieses Abends. Wir sind uns einig, dass Versöhnungsprozesse auch heute noch bestenfalls am Anfang stehen können und die Verständigung noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird. (Meine Position zum Thema ist hier auf der Webseite in der Rubrik DDR-Aufarbeitung zusammengefasst.)