Ergebnis der Sondierungsgespräche zum Thema DDR-Aufarbeitung

Am Volkstrauertag zieht es mich zu einer kleinen Veranstaltung in meinem Lieblingsdorf am Rande des Rennsteigs. Vor der Kirche wird am Gedenkstein den Opfern von Kriegen und Gewaltherrschaft gedacht. Eine kleine Gruppe von Bürgern hat sich versammelt und ein Bläserchor untermalt die kurze Zusammenkunft, bei der auch ein Vertreter der Stadtverwaltung spricht. Seine Worte fasst er in der Mahnung „Nie wieder!“ zusammen. Das umfasst Diktatur und Krieg und ich bin damit sehr einverstanden.

Als der offizielle Teil vorbei ist, komme ich mit einigen Bürgern ins Gespräch und unsere Themen sind vielfältig: Afghanistan, Arbeitslosigkeit, die Wende, Hoffnungen und Gerechtigkeit. Auch nach Koalitionen, Regierungsämtern und MfS-Belastung werde ich gefragt. Ich erkläre die Situation in Brandenburg und verweise auch auf die vom dortigen Generalstaatsanwalt geäußerte Meinung zum Thema „Unrechtsstaat“. Der meint nämlich, dass die ganze Debatte um einen Begriff, der keine klare Definition hat, zu nichts führen kann und deshalb überhaupt nicht hilfreich ist. Schließlich interessieren sich die Menschen, mit denen ich mich unterhalte, auch für das Papier, das im Rahmen unserer Sondierungsgespräche mit Bündnis 90/ Die Grünen zum Thema DDR-Aufarbeitung erarbeitet wurde. Weil das ein guter Text ist, der nicht in irgendwelchen Schubladen verschwinden soll, will ich ihn hier noch einmal veröffentlichen:

“Die Würde des Menschen ist unantastbar.“


Zwanzig Jahre nach der friedlichen Revolution ist die Notwenigkeit einer Aufarbeitung der Vergangenheit der SED-Diktatur in all ihren Facetten weder überflüssig noch rückwärtsgewandt. Sie ist die Voraussetzung für gelingende Demokratie. Wer nicht erkennt, dass Unrecht und Diktatur nicht einfach durch Zeit überwunden werden, wird Zukunft in der Demokratie nicht gestalten können. Wer die DDR für einen im Grunde gerechten Staat erklärt, in dem alle ihre Chance hatten und der nur ein paar hässliche Auswüchse hatte, wie das MfS wird dem heutigen Anspruch an historische und gesellschaftliche Aufarbeitung nicht gerecht. Jedes Recht und jede Gerechtigkeit konnte in der DDR ein Ende haben, wenn es einer der kleinen oder großen Mächtigen so wollte. Jedes Recht und Gerechtigkeit waren für denjenigen verloren, der sich nicht systemkonform verhielt.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist aus dem Zusammenschluss von großen Teilen der DDR-Bürgerrechtsbewegung hervorgegangen und hat entscheidenden Anteil an der Beendigung des Unrechtsstaates DDR. Die Linkspartei steht in der Nachfolge der SED, der Partei, welche die Diktatur in der DDR ausübte. Die so genannte „führende Rolle der SED“ relativiert nicht den Anteil der Blockparteien, aber sie macht dennoch den Unterschied aus, zwischen ihr und den anderen, den in der DDR gewollten Unterschied…
Die SPD konnte, erst nach der Zwangsvereinigung 1946, wieder in der Freiheit ihre politische Arbeit aufnehmen.


Wenn heute im Jahr 2009 Politik gestaltet werden soll, müssen einfache Muster der Aufarbeitung erweitert werden. Zunächst einmal geht es um die Anerkennung dessen, was tatsächlich war. Das ist nicht gleichbedeutend mit der Herabwürdigung von Biographien, allerdings hat sich jedes Leben in der DDR eben dort abgespielt und nicht im luftleeren Raum. Wir müssen die enge Sichtweise, hier Täter – immer gleichbedeutend mit einer Zusammen- oder Mitarbeit im Ministerium für Staatssicherheit – und dort Opfer, die nur Opfer sind, wenn sie z.B. inhaftiert waren, erweitern. Vielmehr geht es um eine konsequente und schonungslose Aufarbeitung der Alltagsdiktatur. Nur so kann Aufarbeitung im gesellschaftlichen Rahmen gelingen, nur so lässt sich für heute daraus lernen. Nicht nur die heute gut dokumentierte Einflussnahme der Staatssicherheit, die Schwert und Schild der SED war, auf den Lebensweg und die Freiheit eines einzelnen Menschen, sondern die unerträgliche Einflussname in alle Bereiche des Lebens in der DDR durch den von der SED geführten Staat, wollen wir aufarbeiten.

Dabei geht es um die demokratische Kultur von morgen. Wer die Vergangenheit verharmlost, wird nur eine Demokratie der Formen, nicht aber der Herzen erhalten. Vor einer Aufarbeitung in die Gesellschaft hinein muss das Bekenntnis zur DDR als einem Staat stehen, der eine Diktatur war, der nicht nur kein Rechtsstaat war, sondern ein Willkürstaat, der in der Konsequenz Unrechtsstaat genannt werden muss.

Darüber hinaus vereinbaren wir ein engagiertes, auf lange Sicht angelegtes Projekt der politischen Bildung in dem die Vergangenheit der DDR vielfältig und beispielhaft für die gesamte Bundesrepublik aufgearbeitet wird. Dabei geht es um eine politische Bildung insbesondere mit dem Ziel der Bildung zur Demokratie.

Wir verständigen uns darauf, nicht mit Organisationen, die das DDR Unrecht relativieren wollen, zusammenzuarbeiten. Ebenso sollen Menschen, die leugnen, das die DDR kein Rechtsstaat war, keine Verantwortung in der gemeinsamen politischen Arbeit für Thüringen wahrnehmen. Mit allen die in der DDR Schuld auf sich geladen haben, diese Schuld aber eingestehen, bekennen und ihren Beitrag zur Aufarbeitung leisten wollen, werden wir zusammenarbeiten.