Wechsel wählen!

Mein Friseur, bei dem in jüngster Zeit einige politische Debatten stattfanden, hat sich heute Morgen während des Haareschneidens als Kandidat für das Ministerpräsidentenamt angeboten. Er könne zumindest allen Ministerinnen und Ministern zu einer schicken Frisur verhelfen und darüber hinaus Rasiermesserscharf Probleme analysieren und bearbeiten. Das mag absurd klingen und mancher Leser meint vielleicht sogar, das habe – gerade heute – nichts im Tagebuch zu suchen, aber es passt doch sehr gut zu diesem Tag.

Vom Friseursalon geht es jedenfalls erst einmal zu unserer internen Vorbereitungsrunde für das abschließende Sondierungsgespräch. Ein letztes Mal stimmen wir uns ab, reden über die Erklärung zur Geschichte und überlegen, ob es eine echte Chance auf eine rot-rot-grüne Landesregierung gibt. Kurz darauf sitzen wir in der Sondierung, haben mit den Grünen in der Frage der DDR-Aufarbeitung eine Basis für weiteres gemeinsames Arbeiten gefunden und dann fragt uns die Delegation der SPD, ob wir einverstanden seien, dass die SPD selbstverständlich die Regierungskoalition inhaltlich führt und in jedem Fall den Ministerpräsidenten vorschlägt und natürlich auch stellt. Die 18-Prozent-Partei erwartet von uns ein Ja oder Nein auf diese Frage. Für uns – die wir schon sehr viele Schritte auf die 9 Prozent hinter uns liegende Partei zugegangen sind – steht fest, dass in einem Dreierbündnis nur gleichberechtigt ein Personalvorschlag entwickelt werden kann. Wir versuchen es also mit Ernsthaftigkeit obwohl die richtige Antwort wohl gewesen wäre: Lieber Christoph Matschie, einige Dich mit meinem Friseur über den MP-Posten, der hat das gleiche Recht darauf wie Du und würde es auch machen.

Abends warten wir alle gespannt auf die Entscheidung der SPD und ein Kamerateam des ZDF hält es bis in die Nacht vor meiner Haustür aus – immer in der Erwartung noch ein Statement von mir zu bekommen. Nach Mitternacht heißt es dann, die SPD habe sich für Koalitionsverhandlungen mit der CDU entschieden. Matschie, der mit seinem Gesicht und seinem Namen für den Wechsel geworben hat, wird jetzt für die Fortsetzung des schwarzen Filz’ sorgen. Er wird damit – und das ist wirklich bedauerlich – die letzten Wähler vergraulen, die der SPD noch ihr Vertrauen geschenkt haben. Die Würfel sind gefallen und es bleiben nur noch zwei Dinge zu sagen. Erstens: Vielen Dank an die Verhandlungskommission der Grünen für die gute, konstruktive und ernsthafte Zusammenarbeit. Zweitens: Ich kann es kaum erwarten die Memoiren von Christoph Matschie zu lesen, in denen er erklärt, wie er die CDU dazu gebracht hat, dass sie ihn zum Ministerpräsidenten wählen.