… und fressen

es ist kristallklar und still/ein Kreuz, ein Zaun,/die Spitzen pietätvoll zugeschneit/während Elstern/auf einem Hasen sitzen/und fressen

Das ist der Sieger. Dieser Beitrag der Twitter-Userin Nuscha Ferber hat im August den Twitter-Lyrik-Preis von literaturcafe.de gewonnen. Die Verfasserin hat es geschafft, in maximal 140 Zeichen ein schönes Gedicht zum Thema Vergänglichkeit zu schreiben. Im Juni 2007 hatte Konstantin Wecker auf dem Gründungsparteitag der LINKEN gesagt, dass er nicht Politiker werden wolle, er sich aber wünsche, dass die Politik etwas poetischer würde. In Zeiten des Web 2.0 sollte man dann als Politiker wohl in der Lage sein, die eigenen Gedanken ebenso schön wie Nuscha Ferber in einen Tweet zu packen.

Leider ist der politische Alltag nicht immer poetisch und die wenigsten Argumente passen in 140 Zeichen. Richtig knifflig wird es, wenn man versucht, mit diesen Mitteln noch Kommunikation zu treiben. Eine Frage zu stellen geht ja noch, aber Antworten, die die Länge der Frage am besten noch unterbieten, sind selten schlau und noch seltener befriedigend. Hinzu kommt, dass nach der Landtagswahl einige Mitglieder der Krabbelgruppe und auch abgewählte Abgeordnete verzweifelt nach neuen Beschäftigungen suchen und sich dafür vollends in die digitale Welt zurückgezogen haben. Da versuchen sie nun noch irgendwie Aufmerksamkeit zu erhaschen, um ihren realen Bedeutungsverlust zu verarbeiten. (Die Krabbelgruppe macht das übrigens vorzugsweise anonym oder wie es bei denen heißt „in zivil“.) Menschlich sind solche Verarbeitungsmechanismen ja durchaus verständlich und weil ich ihnen die Chance zur Erholung gönne, habe ich auch eine Weile lang mitgespielt – so lang es die Zeit erlaubte.

Ebenfalls enttäuschen muss ich die Freunde von der Blogzentrale, die mir in 140 Zeichen aller paar Stunden immer wieder die gleiche Frage stellen. Wenn Ihr das interessant findet, ist es ja in Ordnung, aber ich finde es albern, immer wieder die gleiche Antwort einzustellen. Wie ich bei meiner ersten Reaktion schon schrieb, ist die Frage durchaus berechtigt und für meinen Verantwortungsbereich beantworte ich sie gern. Nur darüber hinaus kann ich leider keine Aussagen treffen. Meine Zuständigkeiten haben sich in den letzten 72 Stunden auch nicht geändert. Wenn sich da etwas tut, erfährt es die stets gut informierte Blogzentrale sicher sehr schnell.

Die Moral der Geschichte ist, dass ein Gezwitscher eben nur ein Gezwitscher bleibt und die Sache wenig produktiv ist, wenn ausgerechnet die, die nach ihrer Abwahl nun besonders viel Zeit haben, permanent versuchen, Missdeutungen von Tweets in der digitalen Welt zu verbreiten. Dass sie selbst dabei eine als Kommunikationsmedium gedachte Plattform sabotieren und sich auch selbst Chancen nehmen, ist ihnen anscheinend nicht bewusst.