Der Tag nach der Abwahl
Nach drei Stunden Schlaf warten ein MDR-Kamerateam und das Auto, das mich nach Berlin bringen soll vor der Haustür. Also schnell ein Interview geben und dann ab zur Parteivorstandssitzung in die Hauptstadt. Unterwegs steht das Telefon überhaupt nicht still, sämtliche Medien wollen einen O-Ton von mir, vom Morgenmagazin bis zum Nachtjournal gibt es Anfragen. Immer wieder wird die lustige Frage gestellt, ob wir jetzt Christoph Matschie zum MP in einer rot-rot-grünen Koalition wählen würden. Meine Antwort: Nein. Warum sollten wir uns gegen den Willen der Wähler entscheiden? Drei Parteien haben vor der Wahl einen Politikwechsel versprochen. Drei Parteien haben in unterschiedlicher Stärke den eindeutigen Auftrag für den Politikwechsel erhalten. Jetzt sollten wir den Wählerwillen umsetzen – nicht mehr und nicht weniger.
In Berlin werden wir sehr herzlich empfangen. Oskar Lafontaine, André Hahn und ich berichten jeweils von den Ergebnissen und ersten Analysen in unseren Ländern. Dass wir in Thüringen 14 Direktmandate gewonnen haben, wird mit besonderer Freude aufgenommen. Nach diesem Sonntag steht fest, dass die Menschen DIE LINKE als starken Faktor in der Politik erleben wollen. Das gibt uns bundespolitisch natürlich auch Rückenwind für die Bundestagswahl am 27. September.
Auf der Rückfahrt erreichen mich E-Mails von Thomas Voß (Landesbezirksleiter Ver.di) und Jürgen Röhreich (Landesvorsitzender der GEW) die auch an Astrid Rothe-Beinlich und Christoph Matschie gegangen sind. Es sind Glückwünsche zum Wahlergebnis und dazu die eindeutige Aufforderung, dass unsere drei Parteien jetzt den angekündigten Politikwechsel umsetzen sollen. Ich kann garantieren, dass dieses Ziel für uns die Messlatte in den anstehenden Gesprächen sein wird. Im ganzen Land haben wir den Leuten versprochen uns für längeres gemeinsames Lernen, für mehr direkte Demokratie, für eine Energiewende und für eine bürgernahe Verwaltung einzusetzen. Und ich kann mich entsinnen, dass SPD und Grüne sehr Ähnliches versprochen haben. Zu Recht erinnern die Gewerkschaften jetzt daran. Das Schreiben von Jürgen Röhreich endet übrigens mit einem Zitat von Molière: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“