Thüringen hat verzichtet

Heute Morgen um sechs starten wir von Erfurt nach Berlin. Da wir einiges an Gepäck mitnehmen müssen (2 Sitzungswochen stehen an), dauert es ein bisschen, bis wir alles eingeladen haben. Dann geht es zügig nach Berlin, nur am Stadtrand werde ich ein wenig unruhig, weil Stau ist, ich aber pünktlich um zehn in der Sitzung des Rechtsausschusses sitzen muss.

Im Ausschuss ist heute die Expertenanhörung zur Föderalismusreform II, speziell zur „Schuldenbremse“, und glücklicher Weise komme ich noch rechtzeitig an. Die Anhörung macht zunächst deutlich, wie unterschiedlich die Positionen der Koalitionsparteien immer noch sind. Einige der geladenen Professoren träumen wohl auch weiter von Steuerzu- und –abschlägen für die Länder, also einem regelrechten Steuerwettbewerb. Der von uns benannte Sachverständige, Prof. Horn, macht dagegen deutlich, dass die Schuldenbremse vor allem als Investitionsbremse wirken würde. Schulden werden gegenwärtig nicht zum Selbstzweck gemacht, sondern um die Handlungsfähigkeit des Staates/ der Länder zu garantieren. Das vollständige Gutachten von Prof. Horn ist auf der Internetseite der Hans-Böckler-Stiftung einsehbar. Neben Prof. Horn argumentiert auch Prof. Wieland von der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, dass es nur kontraproduktiv sein kann, wenn der Wettbewerb zwischen den Länder mit der Keule der Schuldenbremse durchgepaukt wird.

Die ganze Sitzung verfolge ich mit großer Aufmerksamkeit und mache mir viele Notizen zur politischen und rechtlichen Einschätzung. Ein wenig seltsam wird diese gemeinsame Anhörung von Bundestag und Bundesrat dann ganz am Ende als – dem Alphabet nach – das Bundesland Thüringen an der Reihe wäre, Fragen an die Experten zu stellen. Die Schuldenbremse hätte auch massive Auswirkungen auf den Thüringer Landeshaushalt und so sollte auch hier Klärungsbedarf bestehen. Das ist aber nicht der Fall, für die Thüringer Vertreter scheint alles mehr als klar zu sein, jedenfalls haben sie keine Fragen. Der Ausschussvorsitzende formuliert es so: „Thüringen hat verzichtet.“ Ich beschließe, mich einfach nicht mehr darüber zu wundern.

Der Tag endet in der Sitzung des Fraktionsvorstandes und anschließend bin ich noch ein paar Stunden im Büro, um Briefe zu diktieren.