Regierung, Wissenschaftlicher Dienst und Lothar de Maizière – alles Geschichtsklitterer?

Heute passierte im Bundestag etwas Seltsames. In der Generaldebatte zum Thema 60 Jahre Grundgesetz bezeichnete mich die ansonsten sehr geschätzte Vizepräsidentin des Hauses, Katrin Göring-Eckart, als „Geschichtsklitterer“. Leider wurde mir verwehrt, während der Debatte um Aufklärung nachzusuchen, woher denn diese Form der Herabsetzung kommt. Scheinbar haben sich die Thüringer Grünen darauf festgelegt, mich als ihr neues Feindbild aufzubauen. Dann nutzt man eben meine Bekanntheit, um draufhauen zu können.
Da mir vom Präsidium keine Intervention gestattet wurde, habe ich zu Protokoll gegeben, dass meiner Weigerung den Begriff „Unrechtsstaat“ zu benutzen, eindeutige gleich- oder ähnlich lautende Aussagen der Bundesregierung, des wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung und selbst von Lothar de Maizière vorausgingen. Aufmerksame Tagebuchleser kennen das alles. Trotzdem noch einmal in aller Deutlichkeit: Es gab viel schlimmes Unrecht in der DDR, für das die herrschende Partei – zu deren Rechtsnachfolge wir uns seit 1990 bekennen – die Verantwortung trug. Damit setzten und setzen wir uns auseinander, weil sich Zustände, in denen Freiheitsrechte sozialen Rechten geopfert werden, nie wiederholen dürfen. Es funktioniert aber nicht, Vergangenheit auf einen Begriff zu reduzieren, weil damit notwendige Debatten und Differenzierungen so drastisch verkürzt werden, dass die Erfahrungen von Millionen von Menschen einfach ignoriert werden.
Kopfschüttelnd nehme ich die Feindbilddeklaration zur Kenntnis, auch wenn die Freundinnen und Freunde von den Grünen eigentlich wissen sollten, dass ich immer für Aufarbeitung und einen offenen Umgang mit der DDR-Vergangenheit eingetreten bin. Katrin Göring-Eckardt hat 1989 gemeinsam mit vielen anderen Menschen den Mut gehabt, mit Kerzen gegen das Unrecht in diesem Staat zu protestieren. Kerzen sind besser als Feindbilder, weil sie ein Symbol der Hoffnung darstellen. Schade, dass momentan kein gemeinsames Entzünden von Kerzen möglich zu sein scheint.
Neben diesem Thema beschäftigte mich heute auch wieder die Wirtschaftskrise. In Sachen Opel wird inzwischen über eine Treuhänder-Lösung diskutiert, anstatt endlich anzupacken. Die vier betroffenen Bundesländer müssen ein Kaufkonsortium bilden und Opel durch die Krise helfen. Mit Sorge höre ich außerdem, dass auch bei Carl Zeiss die schlechte Wirtschaftslage inzwischen voll zu Buche schlägt und den Arbeitnehmern massive Einschränkungen angekündigt werden.
Am Abend geht es mit dem Auto zurück nach Thüringen, morgen stehen einige Termine in Jena im Kalender.