Jede Stimme (und jedes Tor) zählt.
Der Tag startet mit einer kuriosen Szene im Ökumenischen Morgenlob. Direkt vor mir nimmt die Bundeskanzlerin Platz und währenddessen löst sich ein Knopf von ihrer Jacke. Soweit ist das noch nichts Besonderes. Spektakulär sind dann eher die erschrockenen Gesichter der Leibwächter der Kanzlerin. Sie starren auf den Knopf, der unter die Bank gerollt ist, und sind sich offenbar sehr uneins, ob sie ihn jetzt wieder hervorholen sollen oder nicht. Ich überlege inzwischen, wie das jetzt wäre, wenn die Beamten sich auf den Knopf stürzen – ist er dann Staats- oder Volkseigentum? Schließlich wird der Knopf doch aufgehoben und die Kanzlerin lässt sich Nadel und Faden reichen, um das Malheur zu beseitigen.
Mit Petra Pau gehe ich dann in unsere Wahlfrauen und –männer Versammlung, wo wir noch einmal über die Details der bevorstehenden Wahl sprechen und auch unsere Prognose abgeben, dass es wohl nur einen Wahlgang geben wird. Umso wichtiger ist, dass wir Peter Sodann die größtmögliche Unterstützung geben. Unter unseren Wahlmännern ist übrigens auch Uwe Steimle, mit Peter Sodann befreundeter Polizeiruf-Kommissar.
In der Bundesversammlung gibt es dann eine Premiere: Gemeinsam stimmen alle im Bundestag vertretenen Parteien für einen Antrag, Aussprachen zur Geschäftsordnung nur schriftlich zu zulassen. Damit werden die vier anwesenden Nazis ausgebremst und ihre Anträge können von den 1219 Vertretern der demokratischen Parteien einfach abgelehnt werden, ohne sich noch irgendwelche furchtbaren Reden anhören zu müssen. Dieser Antrag ist schon insofern besonders, dass die CDU zum ersten Mal auf Bundesebene gemeinsam mit uns einen Antrag unterstützt. Gut, dass dies wenigstens bei der Absage an dumpfe Nazi-Ideologie möglich ist.
Die Wahl ist dann überaus spannend, denn es dauert eine ganze Weile bis ausgezählt und auch noch mal nachgezählt ist. Am Fernsehen sieht man dann wohl, wie Bundestagspräsident Lammert vor dem Reichstagsgebäude auf den Bundespräsidenten wartet. Wir wissen davon nichts, erleben dafür eine protokollarische Panne nach der anderen. Alle Fraktionsvorsitzenden bekommen schon einmal Gratulationsblumen an den Platz gelegt und auch die Musiker, die nach der Verkündung des Ergebnisses spielen sollen, werden schon in den Saal geführt. Das führt zu einer gewissen Heiterkeit im Raum. Als das Ergebnis verkündet wird, steht fest, dass Peter Sodann zwei Stimmen mehr bekommen hat, als wir Vertreter in der Bundesversammlung stellen – herzlichen Glückwunsch, lieber Peter. Damit haben wir als einzige Plus gemacht. Horst Köhler bekommt genau 613 und ist damit wiedergewählt – ebenfalls: herzlichen Glückwunsch.
Nach der Wahl mache ich mich auf den Weg nach Erfurt und erfahre, dass von meinen beiden Prognosen, die ich vor vier Wochen abgegeben habe, nun auch die zweite eintrifft: Horst Köhler wird wiedergewählt und Wolfsburg Deutscher Meister. Viel wichtiger aber ist, dass Jena mit einem 2:2 in Sandhausen den Klassenerhalt in der Dritten Liga geschafft hat. Das freut mich für den Verein, für die Stadt und natürlich am meisten für die Fans und die Freunde vom Fanprojekt.