Einer trage des anderen Last

Heute wieder ein normaler Sitzungstag in Berlin mit Fraktionssitzung und allem was dazu gehört. Die beiden Plenumstage müssen vorbereitet werden, die Fraktion fordert in einem Gesetzentwurf die Abschaffung des Progressionsvorbehalts für Kurzarbeitergeld und die bessere steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen. Beantragt werden weiter ein Moratorium für Sicherheitsgesetze, bezahlbare Krankenversicherung für Selbständige und die Neuregelung der GEZ-Befreiung (mehr). Außerdem ist die nahende Bundespräsidentenwahl ein großes Thema.

Zwei Sachen beschäftigen mich neben dem normalen Tagesablauf: Die „Millionärssteuer“ und die Waffenlobby. Zu ersterem hat sich DIE WELT etwas verstört gezeigt, weil ich in einem Interview einen Spitzensteuersatz von 80 Prozent für Einkünfte aus Bonus-Zahlungen von über 600 000 Euro gefordert habe. Dabei ist eine solche Sonderregelung für Krisenzeiten keineswegs so ausgefallen, wie man vielleicht bei der WELT denkt. Auch in der Zeit des amerikanischen „New Deal“ und in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit gab es entsprechende Abgabenregelungen. Wir wollen die Reichen nicht arm machen, wir wollen nur, dass sie etwas für die Armen machen. Und 600 000 Euro sind auch keine niedrige Grenze. Wie gestern schon geschrieben, fordern wir einen Mindestlohn von 10 Euro. Mit einem solchen Verdienst müsste ein einfacher Arbeitnehmer immer noch 45 Jahre arbeiten (Jahresverdienst ca. 13 200 Euro), um überhaupt auf 600 000 Euro zu kommen. Das heißt, wir reden von einem Betrag, den ein normaler Mensch in seinem ganzen Leben erarbeitet. Wenn so etwas nun als Bonus-Zahlung mit einem Mal ausgeschüttet wird, muss gerade in Krisenzeiten ein besonders hoher Spitzensteuersatz angewendet werden. Sonst gerät der gesellschaftliche Zusammenhalt vollends aus den Fugen. „Einer trage des anderen Last“, heißt es in der Bibel. Der WELT täte es gut, sich mal darüber zu wundern, dass einem Hartz-IV-Empfänger jeder zuverdiente Euro angerechnet wird. Aber da gibt es keinen Aufschrei. Da beschwert sich auch keiner über Neid-Debatten. Irgendwie schon verkehrte Welt bei der WELT.

Die Waffenlobby treibt auch seltsame Spielchen. Jetzt hetzt sie in einem Flyer gegen meine Partei, weil wir der schlimmste Feind aller Sport- und Jagdschützen wären. Dabei sind wir wirklich an einer einvernehmlichen Lösung interessiert, weil wir wissen, dass viele Jagd- und Sportschützen mit äußerster Sorgsamkeit auf ihre Waffen achten. Wir fragen trotzdem, ob es wirklich notwendig ist, 15 Waffen und 6000 Stück Munition in einer Privatwohnung aufzubewahren. Hier sollte gemeinsam über andere Wege nachgedacht haben, die Sicherheit so weit wie irgend möglich zu erhöhen.