Volksvertreter unter Generalverdacht

Die Nacht war kalt, „saukalt“ wie der Volksmund sagt. Der Radiowecker reißt mich aus dem Schlaf und flüstert mir 26,6 Grad minus ins Ohr. Brrrrrr, da verkrieche ich mich gleich wieder im Bett. Nur eine dauerhafte Lösung ist das nun mal nicht. Also raus in die Kälte und Einkaufen fahren. Dann noch in den Landtag, Neujahrswünsche übermitteln und Post für die Bundestagsfraktion erledigen. Schließlich auch noch ein Abstecher in die Landesgeschäftstelle und alles Gute für das neue Jahr wünschen.

Am Nachmittag ein einstündiges Telefongespräch mit dem Rechtsanwalt, der die Bundestagsfraktion und mich im Prozess gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz vertritt. Er hatte mir ein interessantes Protokoll der letzten Gerichtsverhandlung zugesendet. Beim Lesen kommt einem sogar der Verdacht, dass dieses Amt tatsächlich alle Bundestagsfraktionen erfasst hat. Die haben wirklich dem Gericht geantwortet, dass Sie regelmäßig das Handbuch des Deutschen Bundestags in den Sachakten Ihrer Behörde erfassen und dann einzelnen MdBs eine Kennzeichnung zuordnen, falls diese im NADIS System erkennbar sein sollten. Aber was, wie und wie viele oder nach welchen Kriterien, das sei doch geheim, teilte das Amt den erstaunten Richtern mit.

Wir verbleiben so, dass ich das Präsidium des Bundestages unterrichte, wozu ich dann auch unmittelbar mit der Vizepräsidentin Petra Pau telefoniere. Eigentlich halte ich es für die Aufgabe des Bundesinnenministers, das Parlament über all diese Dinge zu informieren, aber: Fehlanzeige! Also machen wir das und schauen mal, ob die anderen Abgeordneten das so lustig finden. Das Verwaltungsgericht in Köln war jedenfalls nicht belustigt!

Am Abend sehe ich wieder die quälenden Fernsehbilder aus dem Nahen Osten. Die Panzer rollen und die Menschen sterben. Alttestamentarisch heißt es wohl wieder “Auge um Auge, Zahn um Zahn”. Aber das wird keinen Frieden bringen. Auch wenn ich die Wut, Angst und Trauer der Israelis verstehen kann, nach 8 Jahren Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen auf die Zivilbevölkerung von Israel. Doch Krieg ist die falsche Antwort! Zweistaatlichkeit und Abrüstung für die Region sind die einzigen Lösungsansätze für alle Menschen. Das geht nur, wenn Ägypten, Syrien und Libanon gemeinsam mit Israel Friedensabkommen und Garantien vereinbaren. Wenn die Territorien gemeinsam geklärt und dann fest vereinbart werden. Wenn für die Palästinenser der Aufbau eines eigenen Staates aktiv ermöglicht wird. Das heißt aber, dass auch endlich und glaubwürdig die aggressive Siedlungsstrategie beendet werden muss und dass alle zusammenarbeiten müssen, damit Hass und Terror keine Chancen mehr haben. Jede Rakete und jeder Panzer bringen den Frieden in immer weitere Ferne, egal ob arabischer oder israelischer Herkunft. Nur Frieden bringt Frieden, so utopisch sich das auch anhören mag. Es gibt kein Sterben oder Töten im Namen oder gar für Allah, Jaweh oder Gott.

Apropos Gott, heute bekam ich noch Neujahresgrüße von einem evangelischen Pfarrer und sogar noch eine Mail aus Rom, direkt aus dem Vatikan. Das waren Grüße von lieben Menschen, die ich in Jerusalem kennengelernt habe. Da gab es noch Hoffnung auf Frieden und nun diese Bilder. Wie sagte es der Lateinische Patriarch in Jerusalem: Religion muss Teil der Lösung und nicht teil des Konfliktes sein! Erst wenn wir mit den Augen der Anderen sehen, können wir die Schritte zur Lösung gehen. Meine Augen würden jetzt gerne andere Bilder sehen, Bilder von Juden, Christen und Muslimen, die gemeinsam Frieden stiften in Jerusalem. Träumen muss erlaubt sein.