Christ sein und Sozialist sein – kein Widerspruch

Memmingen im Allgäu macht neugierig. Eine wunderschöne mittelalterliche Stadt, aufgeräumt und sehr romantisch. Schon beim Hereinfahren spürt man, dass man mehr Zeit bräuchte, um hier Urlaub zu machen.

Die Veranstaltung findet im Schwarzen Ochsen im Parkhotel statt, und auch das Nachtquartier im Haus ist sehr empfehlenswert. Der Saal war gut gefüllt und voller Freude erzählen mir unsere örtlichen Kreisräte, dass sowohl CSU-Stadträte als auch SPD-Vertreter anwesend sind.

Die Veranstaltung war in der ganzen Stadt plakatiert und schon der Einladungstext provozierte zur Diskussion „Als Christ DIE LINKE wählen!“ Viele Überlegungen führte ich in meinem Vortrag den Zuhörern vors geistige Auge und letztlich lief es immer wieder auf den Kernsatz von Adolf Grimme hinaus, dem Herrn Grimme, nach dem heute der berühmte und sehr renommierte Grimme-Preis für Journalismus benannt ist. Von ihm wurde der Satz geprägt, dass ein Sozialist kein Christ, aber ein Christ Sozialist sein müsse. Darum drehte sich der ganze Abend und auch die Diskussionsbeiträge der anwesenden Vertreter anderer Parteien zeigten mir, dass die von mir vorgetragenen Überlegungen als sehr nachdenkenswert empfunden wurden. An diesem Abend spannte sich der Bogen von der Stammzellendebatte bis hin zu unseren friedenspolitischen Grundpositionen. Ich habe in den Diskussionen sehr deutlich gemacht, dass jedweder Fundamentalismus und jedwede orthodoxe Glaubenslehre von mir mit Misstrauen beäugt werden. In diesem Fall war es ein orthodoxer Marxist, der an dem Abend die Geduld der weiteren Zuhörer im Saal durch längere Koreferate sehr strapazierte. Als er auch noch stolz verkündete, dass er gerade am Wochenende bei einer evangelikalen Gemeinde gewesen sei, beschlich mich der Verdacht, dass es hier doch eine gewisse geistige Nähe gibt, ohne dass der Glaube an Gott das Verbindende wäre.

Trotzdem war die überwiegende Debatte hoch spannend. Auch die CSU-Stadträtin klinkte sich in die Diskussion ein, sodass wir von Stammzellen bis zur Gentechnologie auf einmal bei ethischen Grundfragen angekommen waren. Am Ende des Abends verabschiedete sie sich mit Handschlag und sagte, dass wir beiden im Sinne unseres Glaubens wohl doch mehr Gemeinsamkeiten hätten, als sie erwartet hätte.

Besonders überrascht war ich am nächsten Morgen, als ich gerade in Berlin gelandet war. Die erste SMS, die ich erhielt, war ein Dankeschön der Memminger und die Übermittlung der Nachricht, dass ein Gast an dem Abend Mitglied unserer Partei geworden ist. Offenkundig hat es allen zumindest gefallen, mal offen die Frage vom Christ und Sozialist sein als Vision zu erörtern, aber auch die Entstehungsgeschichte der bayerischen Verfassung mit einzubeziehen. Denn wenn man heute die bayerische Verfassung liest, denkt man fast, dass sie getragen ist von einem sozialistischen visionären Geist.

Eine Mindestlohnverpflichtung in einer Verfassung und eine Gemeinwohlverpflichtung in der Politik sind ja schon fast einmalig, aber leider hat der Geist der bayerischen Verfassung nicht übergegriffen auf die absolute Mehrheit im Hohen bayerischen Haus.

Rekapitulierend aus Berliner Sicht waren die Wahlkampfauftritte in Bayern für mich aber sehr positiv. Viele neue Menschen habe ich kennen gelernt, die alle in unserer Partei aktiv geworden sind, um dem Sozialen in unserer Gesellschaft wieder mehr Respekt zu verschaffen. Der bayerische Landtagswahlkampf hat uns gestärkt und näher zusammengebracht. Allein der Umstand, dass es möglich erscheint, dass wir in den Landtag hineinkommen, ist schon revolutionär. Und heilsam wäre es, wenn die CSU wirklich ihre absolute Mehrheit verlieren und wir in den Landtag einziehen würden. Dann gäbe es neue Diskussionen in ganz Deutschland und mir wäre nicht bange, dass die Debatte über einen gestärkten demokratischen Rechtsstaat, bei dem Demokratie und soziale Verantwortung neu buchstabiert werden, endlich mit neuer Kraft auf die Tagesordnung käme.

Nun heißt es, am Schreibtisch die Post zu bearbeiten, liegen gebliebene Vorgänge weiterzuführen und mich mit der Gerüchtedebatte über den Ministerpräsidenten Dieter Althaus in Thüringen auseinander zu setzen. Was hier durch die Zeitung mit den großen Buchstaben getrieben wird, ist mir irgendwie nicht klar. Man dringt in das Privatleben eines Politikers ein, der sich scheinbar mit Hilfe dieser Zeitung gegen widerliche Gerüchte wehren will. Anschließend, nachdem dies in der ganzen Bundesrepublik breit getreten wurde, ruft eine andere Redaktion aus dem Hause Springer bei mir an und konfrontiert mich mit einem neuen Gerücht. Ich finde dies aberwitzig und unangemessen. Ob politischer Gegner, Mitbewerber oder Konkurrent – ich finde, dass das Privatleben von Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und als Politiker in den Wettbewerb treten müssen, wirklich massiven Schutz braucht. Amerikanische Verhältnisse, die bis in den dritten Grad der Familie alles ausforschen, finde ich hier einfach nur widerlich. Ich werde mich an den Wertungen zu all diesen Gerüchten nicht beteiligen. Meine Haltung ist glasklar: Das Private ist privat und nicht Gegenstand der dreckigen Wäsche. Erstaunlich ist nur, dass ein Teil der Gerüchte hartnäckig aus der eigenen Partei kommt. Das erinnert mich an das Mobbing gegen Kurt Beck. Ich habe die Hoffnung, dass diese Unkultur nicht weiter zur Normalität wird.