Nacktsein hinterm Bretterzaun
Eine Thüringer Zeitung berichtet heute über FKK und Nackedeis. Ein interessantes Thema. Groß geworden in der nähe der Nordsee, sind mir Nackedeis seit meiner Kindheit vertraut. Ich finde daran nichts Anstößiges, sondern kann verstehen, dass sich Menschen textilfrei sonnen möchten. Seltsam finde ich nur, wenn es zum Kult oder gar zur Ideologie wird, wenn es in Gemeinschaften gepflegt wird, die meinen, mit ihrem Nacktsein andere beglücken zu müssen. Aus der Geschichte der Arbeiterbewegung und des bürgerlichen Aufbruchs des 19. Jahrhunderts kann man verstehen, dass Nacktsein auch als Befreiung verstanden wurde.
Als ich 1990 nach Erfurt kam, gab es sogar noch ein Freiluftbad, wunderschön gelegen, ein herrliches Areal, das offenkundig von der Städtischen Bäderverwaltung in Stand gehalten wurde. Zufällig bin ich beim Wandern über dieses Areal dort oben gestolpert.
Der Blick auf die Stadt – traumhaft! Aber die Vorstellung, dass man sich nur an dieser Stelle ausziehen darf, war mir seltsam. Ich assoziierte ein eben solches Freiluftbad in Marburg, das offenkundig bis heute noch besteht. Dort verbindet sich bei mir Nacktsein mit einem Bretterzaun und mit pubertierenden Jungen oder Voyeuristen, die zwanghaft versuchten, die Sehschlitze im Bretterzaun zu nutzen. Hier schien die Fantasie derjenigen vor dem Zaun gieriger zu sein als das, was an Befreiung hinterm Zaun stattfindet. Und so schätze ich es oft an der Nord- oder Ostsee ein;bei mancher nackten Tatsache müsste der Mensch allerdings eher über den eigenen Körper nachdenken als diesen der staunenden Öffentlichkeit zu präsentieren.
Als regelmäßiger Saunagänger finde ich Nacktheit ganz normal. Heute bekomme ich eher dann Probleme, wenn ich in der Saunaanlage ohne meine Brille herumlaufe, Menschen mich freundlich grüßen und ich nur ein großes rosa Gebilde sehe.