Die Wahrheit ist auf’m Platz oder bleibt auf der Strecke

Heute ist Derby. FC Rot-Weiß Erfurt gegen FC Carl Zeiss Jena. Ich bin Erfurter, habe mir grade hier eine neue Wohnung gesucht und bin Mitglied im Jenaer Fanprojekt. Passt das zusammen? Ja, an allen anderen Tagen im Jahr passt das sehr gut zusammen, denn auch als Erfurter kann man die hervorragende Sozialarbeit der Jenaer nur gut heißen. Heute aber bringt diese Konstellation eine innere Zerrissenheit und ein Dilemma mit sich. Für die Jenaer Fans wünsche ich mir einen Sieg – und für meine Heimatstadt auch. Da hilft nur Daumen drücken für ein gutes und faires Spiel. Beide Mannschaften haben zuletzt im DFB-Pokal gezeigt, dass sie viel drauf haben. Und es gibt ja am Ende der Saison zwei sichere Aufstiegsplätze. Warum sollten die nicht beide nach Thüringen gehen? Wie auch immer, die Wahrheit ist auf’m Platz und die bessere Mannschaft möge gewinnen.

Leider liegt die Wahrheit nicht nur auf dem Platz sondern bleibt auch gelegentlich auf der Strecke. So auch im Kaukasus-Krieg, wo die Propaganda-Maschinerien der verschiedenen Seiten erstaunliche Blüten treiben. Der Konflikt war lange bekannt, denn wenn mittels der Wohnbevölkerung territoriale Grenzen neu festgelegt werden sollen, ist die Auseinandersetzung vorprogrammiert. Europa muss jetzt darauf achten, die Schuld nicht nur auf einer Seite zu suchen. Das wäre ein gefährlicher Fehler. Wenn der Maßstab für solche Auseinandersetzungen der Kosovo wäre, müsste Südossetien jetzt eigentlich unabhängig werden. Aber wollen wir wirklich eine Welt voll Kleinststaaten? Dann müsste natürlich als nächstes nach dem Baskenland und ähnlichen Regionen gefragt werden. Sollen Bevölkerungsgruppen lieber Autonomie oder territoriale Unabhängigkeit erhalten? Hier müssen in Ruhe Lösungen diskutiert werden. Wenn aber die EU die Auslegung des Völkerrechts von geostrategischen Faktoren abhängig macht, führt das mindestens zu Unglaubwürdigkeit.