Brutalst mögliche Ausbeutung

Manchmal bekommt man Geschichten von Bürgern erzählt, die so unwahrscheinlich klingen, dass man sie am liebsten gar nicht glauben möchte. Da ich aus einer Thüringer Kommune um Hilfe gebeten wurde, telefonierte ich verschiedene Ansprechpartner an, um Informationen einzusammeln und um mir ein besseres Bild über den konkreten Sachverhalt zu machen. Schon am gestrigen Tage ging es um einen zweifelhaften Wirtschaftsberater und eher dubiose Kaufangebote für Thüringer Wohnungsbestände. Hier wäre dringend landespolitischer Handlungsbedarf angesagt, denn seit dem die Landesbanken zweifelhaftes Monopoly mit amerikanischen Schrott-Immobilien spielen, fehlt die praktische Hilfe für Thüringer Wohnungsbaugesellschaften. Dieses Thema wird uns noch länger begleiten.

Einer meiner Gesprächspartner erzählte mir aber von einer riesigen Sauerei, die seinem Kind gerade in Dresden widerfahren ist. Die Firma Saxoprint hat 43 junge Leute als Auszubildende eingestellt. Man sollte stolz auf so viel Initiative sein, denke ich. Mein Gesprächspartner erzählte mir aber auch, dass alle Ausbildungsverträge fristlos gekündigt wurden, weil die zuständige Industrie- und Handelskammer sich weigerte, die Ausbildungsverträge einzutragen (Sächsische Zeitung vom 27. Juni).

Mein Gesprächspartner war so froh gewesen, dass sein Sohn endlich einen Ausbildungsvertrag als Off-Set-Drucker gefunden hatte. Mit vereinten Kräften hatte die Familie vor einiger Zeit ein kleines Appartement in Dresden gemietet und voller Vorfreude eingerichtet. Und nun diese bittere Wende. Ich informierte mich in Dresden und der zuständigen IHK. Es offenbarte sich mir das ganze Ausmaß der Schweinerei. Seit Jahren zahlt diese Firma nur die halbe Ausbildungsvergütung, obwohl es für alle in der Branche feste Vergütungsregeln gibt. Sie änderten nichts an ihrem Gebaren, obwohl die IHK seit Jahren gegenüber der Firma mit sanften Druck deutlich gemacht hatte, dass dies so nicht geht. Saxoprint hat in diesem Jahr die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse deutlich erhöht und bleibt bei 50 % der Vergütung. Die Familie sitzt jetzt auf den Kosten und muss für ein Jahr den Mietvertrag bezahlen! Der junge Mann ist bitter enttäuscht und die Firma bleibt stur. Die IHK wäre bereit bei 70% der festgelegten Vergütung ein Auge zuzudrücken, aber sie ist nicht in der Lage sittenwidrige Verträge zu akzeptieren. Besonders interessant ist allerdings, dass eine Firma, die 43 sittenwidrige Verträge abschließt, öffentlich immer wieder kund tat, dass sie Geld in den Wahlkampf der CDU-Sozialministerin von Sachsen Helma Orosz zur Oberbürgermeisterwahl von Dresden investiert hat.

Die Familie ist bitter enttäuscht und hat dadurch einen großen finanziellen Schaden erlitten. Die psychologischen Folgen für den jungen Mann, der froh war, eine Ausbildungsstelle gefunden zu haben, kann man sich ausmalen. Der verzweifelte Vater sagte mir, dass der junge Mann in dieser Not auch bereit gewesen wäre, für den halben Lohn zu arbeiten.

Mit diesen Methoden wird auf den Rücken von Menschen eine ordentliche Branche zerstört. Weil, mit 42 Azubi-Verträgen im sittenwidrigen Bereich, kann man natürlich sehr gut Dumpingangebote, nicht nur in Wahlkampfzeiten machen. Was mich wundert ist, dass sich die Sozialministerin nicht einmal dafür schämt, von solchen Geschäftsleuten unterstützt zu werden. Ich würde wenigstens erwarten, dass sich die neue Oberbürgermeisterin für die Betroffenen engagiert.

Laut IHK-Dresden haben sich nun aber mittlerweile schon 10 Firmen gemeldet, die in dieser Notlage einspringen wollen.

Mir ist es gelungen, der genannten Familie ein Vorstellungsgespräch für ihren Sohn noch in dieser Woche zu organisieren. Toi Toi Toi dafür und einen großen Dank an einen Thüringer Gewerbetreibenden, der hier schnell und unkompliziert helfen will! Danke Gunnar! Gegen solche Methoden, wie von Saxoprint, helfen nur gesetzlicher Mindestlohn, ein Vergaberecht, das Standards festschreibt und eine gesellschaftliche Ächtung von Dumpinglöhnen.

Es ist schon eine Verhöhnung, wenn der wahlkämpfende Geschäftsführer eines Drei-Schicht-Offset-Druck-Betriebes sagt, dass der halbe Lohn gerechtfertigt sei, weil im Friseurhandwerk ja auch so niedrig bezahlt werden würde. Ich denke, das Trinkgeld seiner Wahlkampfunterstützung will der Herr Geschäftsführer wohl in die eigene Tasche stecken.