Raue Schale, weicher Kern

Man boxt sich so durch. Eine Devise, die angesichts galoppierender Energie- und Benzinpreise immer sinnfälliger wird. Aber zum professionellen Durchboxen braucht man neben Standfestigkeit und Training auch eine Portion Diplomatie und Geschicklichkeit.

Bei unserem heutigen Besuch im Boxclub Wacker 07 Gotha geht es zur Zeit um mehr als nur um einen Punktsieg in der Bundesliga. Wer weiß überhaupt, dass Thüringen eine Bundesliga-Mannschaft im Boxen hat. Wo nimmt man eigentlich zur Kenntnis, dass 120 Jahre Boxtradition in Gotha auch ein Signal für Stabilität und Krisenfestigkeit sind. Im Landtagswahlkampf 2004 lernte ich die Jugendarbeit von Wacker Gotha kennen. Wenn man die Kinder und Jugendlichen beobachtet, die mit Engagement und Zähigkeit trainieren. Wenn man sieht und spürt, dass darunter auch Jungs sind, die ihre eigene Heimat verlassen haben und möglicherweise – weil es häufig Entscheidung von Eltern sind – diese Entwurzlung nicht freiwillig ist und emotional sehr schnell zu Verwerfungen führt. Junge Deutsche, die aus den GUS-Staaten kommen, zu uns übersiedeln und häufig als „die Fremden“ angesehen werden. Genau diese Mischung zwischen Urthüringer Kids und Neuthüringer ist es, die in diesem Gothaer Verein durch eine Vorbildliche Jugendarbeit positiv aufgelöst wird.

Per Post kam vom Wacker-Präsident ein Hilferuf. Es droht die Ligatätigkeit zu versiegen, die Weiterarbeit ist gefährdet und die Geldsorgen wachsen sich zu einer Existenzkrise aus. Die bisherigen Sponsoren aus Gotha haben selbst Sorgen und das neugewählte Stadtoberhaupt müht sich, Ordnung in die übernommenen Amtsgeschäfte hineinzubekommen. Die Sorgen des Vereins sind berechtigt, doch die Sorgen dürfen nicht dazu führen, sehnsüchtig auf eine Kulturinstitution zu schauen. Die Gothaer Philharmonie hat selbst das Damoklesschwert stets über sich. Für die Kulturinstitutionen in Thüringen bräuchten wir eine ganz andere Lastenverteilung, sei es durch ein Kulturraumgesetz oder eine landesweite Trägerschaft aller Hochkultureinrichtungen.

Um für den Boxsport das notwendige Geld zu erreichen, hilft es nicht, eine andere Institution in Frage zu stellen. In den Gesprächen wird deutlich, dass die 18 Thüringer Boxvereine gesamtdeutsch im guten Mittelfeld aufgestellt sind. Wacker Gotha als einziger Thüringer Club in der Bundesliga ist ein besonderes Aushängeschild. Den Stolz spürt man, wenn man mit dem freundlichen Profiboxer Tilo Groß spricht und er noch größer wird, wenn er erwähnt, dass er von sechs Profiwettkämpfen sechs gewonnen hat. Wir gehen mit dem Versprechen, finanzielle Mittel aus unseren Diät-Spenden-Vereinen gezielt für Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Wir wollen mit unseren Gothaer Freunden noch einmal das Gespräch führen, um bei einem Klima mitzuhelfen, das zwischen Stadt und Verein Wege eröffnet, um Lösungen zu ermöglichen. Als mein persönliches Bekenntnis zum Verein erkläre ich mich bereit, Fördermitglied zu werden. Hier sind noch viele Mitstreiter gesucht, 120 Jahre Boxtradition dürfen nicht leichtfertig verloren gegeben werden. Wacker wünsche ich noch viele Jahre und Jahrzehnte Erfolg beim Boxen und Durchboxen.