Soll man oder soll man nicht?

In den Nachrichten läuft durchgehend die Meldung, dass der Dalai Lama nach Deutschland kommt und dass sehr viele Menschen sich darüber freuen. Ich kann die Menschen verstehen, die neugierig sind auf diese wirklich sehr außergewöhnliche Person. Durch meinen Bruder in London bin ich schon vor über zwanzig Jahren neugierig gemacht worden auf die sehr philosophischen Gedanken, die vom Dalai Lama formuliert werden, seine Ausstrahlung, sein Karma ist beeindruckend. Mit wenigen Worten schafft er, komplizierte Sachverhalte nachhaltig zu erläutern. Nach allem, was ich gelesen habe, vertritt der Dalai Lama nachdrücklich den Anspruch auf eine stärkere Autonomie für Tibet aber zu Recht macht er darauf aufmerksam, dass durch gezielte Ansiedlungspolitik seine Heimat kulturell bedroht wird.

Gemeinsam mit Petra Pau musste ich heute dazu öffentlich Stellung beziehen und in meiner Eigenschaft als religionspolitischer Sprecher würde ich der Bundesregierung, Vertretern des Bundestages und auch unserem Bundespräsidenten, Gespräche als durchaus normale Umgangsform anempfehlen; Grundbedingung dazu ist allerdings, dass internationale Standards gewahrt werden: hierzu gehört zuallererst die Klarstellung, wer mit wem in welcher Eigenschaft spricht. Soweit der Bundestagspräsident gemeinsam mit Vertretern des Bundestages Gespräche mit dem geistigen Oberhaupt der tibetischen Gläubigen führt und dabei Fragen des Rechts auf Religionsausübung erörtert würden, hielte ich das für einen normalen und akzeptablen Vorgang.

Etwas Ähnliches würde ich mir zurzeit in Bezug auf die vergleichbaren Rechte serbisch-orthodoxer Christen bzw. deren uralten Klöstern im Kosovo wünschen. Noch mehr würde ich mir eine solche Aufmerksamkeit wünschen, angesichts der letzten noch lebenden Siedlungsbevölkerung im Grenzgebiet zwischen Iran, Irak und der Türkei, einem quasi ungeschützten Niemandsland. Dort leben und siedeln noch circa dreitausend Menschen, die Aramäisch sprechen – es sind die letzten Angehörigen einer Bevölkerung, die noch die Sprache von Jesus Christus sprechen. Dieser kulturelle Schutz wird bis heute nicht eingefordert, nicht einmal von den Parteien mit dem „C“ im Namen.

Gerade weil Pfingsten ist, wäre es sinnvoll, bei vergleichbaren Vorgängen auch gleiche Maßstäbe anzuwenden! Klar würde ich an einem Gespräch mit dem Dalai Lama teilnehmen, ich würde auch ein Gespräch unter den diplomatisch richtigen Vorzeichen mit dem Bundespräsidenten richtig finden, wie gesagt, das wäre nur ein Gespräch mit dem Religionsführer und nicht mit dem Chef einer Exil–Regierung. Aber da die Mehrheit des Bundestag den Separatismus im Kosovo unterstützt hat, sind deutsche Vertreter schon ziemlich unglaubwürdig. DIE LINKE hält Separatismus prinzipiell für den falschen Weg, denn Staatsgrenzen können nur alle Beteiligten zusammen verändern. Gespräche über religiöse Identität finde ich berechtigt – auch für den, der gar nicht glauben will.

Glaubensfreiheit heißt eben, glauben zu können und zu dürfen aber auch ein Nicht-Glauben oder ein freier Wechsel der Religion müssen möglich sein. Wofür kämpfen deutsche Truppen in Afghanistan, wenn in der Zeit der Stationierung unserer Truppen im Gesetz verankert wird, das einen Übertritt von muslimischen Glauben zum Christentum unter Strafe steht und Konvertiten mit dem Tode bedroht werden? Zu dieser Frage gehört aber auch, in den eigenen Reihen Toleranz zu üben und nicht wegen eines Moscheebaus in einer deutschen Stadt immer gleich den Untergang des Abendlandes an die Wand zu malen.

Bezüglich des Dalai Lama muss klar sein, wie die diplomatischen Verhältnisse geregelt sind. Dann sollen auch Gespräche stattfinden! Ohne diese Klärung begibt man sich in die Gefahr, sich von vornherein für ebenso klare Gespräche mit der chinesischen Führung unglaubwürdig zu machen.

So zwingt mich die tagesaktuelle Nachrichtenlage zu ganz anderen tiefsinnigen Gedanken, die aber Pfingsten in einer eigenen Art doch sehr nahe kommen.