Vergangenheit und ihre Bewältigung

Angesichts der Neuen im Thüringer Kabinett kann ich nur den Kopf schütteln, über die Art und Weise, wie Herr Althaus und die CDU Vergangenheitsbewältigung betreiben. Da wird meiner Partei und mir immer wieder vorgehalten, die „blutige Fratze“ (M. Mohring) der Vergangenheit zu tragen und DIE LINKE wird als alleiniger Gesamtsündenbock für alles Schlechte der Vergangenheit in Haftung genommen. Ohne Zweifel wiegt die Hypothek, die meine Partei trägt, sehr schwer und diese Vergangenheit soll in keiner Weise kleingeredet werden. Wenn aber jetzt im Vorfeld der Olympischen Spiele in China häufig und zurecht über dortige Menschenrechtsverletzungen gesprochen wird, lohnt sich auch ein Blick in die Vergangenheit.

Im Juni 1989 hat China schon einmal vor den Augen der Welt seine offene Missachtung der Meinungsfreiheit demonstriert. Die Ereignisse auf dem Platz des Himmlischen Friedens sind wegen ihrer Brutalität überall auf der Welt in Erinnerung geblieben. Solidarisch mit China zeigte sich damals die Volkskammer der DDR. Das Parlament schickte eine Grußadresse an die Chinesische Regierung. Zu den Abgeordneten, in deren Namen die freundlichen Grüße nach China geschickt wurden, zählte auch eine gewisse Marion Walsmann – nun designierte Justizministerin Thüringens. Gestern erklärte Frau Walsmann, es habe damals keine Abstimmung, sondern nur eine Verlesung gegeben. Dazu fällt mir ein Satz ein, der gelegentlich in Zusammenhang mit Vergangenheitsbewältigung fällt: „Jeder hätte ‚nein’ sagen können.“

Ich halte diese Aussage für falsch, denn es gibt Situationen, in denen man durch äußere Bedingungen so unter Druck stehen kann, dass man eigene Fehler nicht erkennt oder sie vielleicht sogar erkennt, aber nicht vermeiden kann. Nicht die eigene Vergangenheit, sondern der Umgang damit ist das Problem. Entscheidend ist, dass man sich später, wenn der Fehler eindeutig entlarvt ist, dazu bekennt. Das wäre Vergangenheitsbewältigung. Eine Haltung gemäß dem Motto „Es war doch weiter nichts“, klingt stattdessen – gerade in der aktuellen Diskussion um die Ereignisse in Tibet – wie purer Hohn.

Noch nötiger hätte die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der neue Thüringer Kultusminister Krause. Er war noch vor einigen Jahren Leiter der Rubrik „Im Gespräch“ bei der Jungen Freiheit. Für dieses schwarz-braun-lackierte Blatt, das sich an der Grenze zwischen Erz-Konservatismus und Neo-Faschismus bewegt, interviewte Krause u. a. Horst Mahler, einen der bekanntesten deutschen Rechtsextremisten und Antisemiten.

Diese Tätigkeit und die Ergebnisse solcher Interviews lassen zumindest keine wirkliche Distanz zu den Interviewten erkennen und nun soll Herr Krause für die Weiterentwicklung der Erinnerungskultur der Gedenkstätten Dora und Buchenwald zuständig sein? Da täte Aufarbeitung wirklich gut. Dieter Althaus hat allerdings einmal sinngemäß zu mir gesagt, er ließe sich von einem Wessi nichts über die DDR erzählen – zumindest als es um seine eigene Auszeichnung, den strittigen Orden und seine archivierten Reden ging. Der Maßstab der DDR-Aufarbeitung muss aber auch an den Biografien von Althaus und Walsmann gemessen werden – es hat nun einmal die Blockpartei CDU gegeben.

Nun frage ich mich, wie der Ministerpräsident es mit der (jüngeren) Nach-Wende-Vergangenheit halten wird – die Berufung von Krause zum Minister macht mir da keine Hoffnung. Da hat man nicht den “schwarzen” Peter im Kabinett, sondern es erscheint ein brauner Schimmer! Aber es ergeben sich andere Berührungspunkte zwischen Dieter Althaus und seinem neuen Minister. Herr Krause wird wohl gerne das Projekt der “Kreationistischen Lehre” aufgreifen und das Buch mit dem Vorwort von Althaus dann in die Schulen bringen!

Generell muss man über das angeblich „neue“ Kabinett sagen, dass alle, die darin zukünftig agieren werden, auch für die unzähligen Fehlschläge der CDU Thüringen in den letzten vier Jahren verantwortlich sind. Alle, die da jetzt auf der Regierungsbank sitzen, haben die „Familienoffensive“ mit zu verantworten, den Kulturkahlschlag, die Behinderung der Initiativen für mehr Demokratie, die gescheiterte Polizeireform, und so weiter. Im Fußball wäre klar: Wer kurz vor Ende des Spiels noch mehr als das halbe Team durch Spieler aus der zweiten Mannschaft ersetzt, ist nur von einem Gedanken getrieben: Verzweiflung.